Extremes Unwetter über Teilen der Stadt Dortmund (26.07.2008)
Eine ähnliche Wetterlage wie Ende Mai (wir haben bereits in der Zusammenstellung 05/2008 Schwergewitter ausführlich darüber berichtet) hat am Samstag, den 26.07.2008 in Dortmund zu einem Niederschlagsextrem geführt, welches hier zu einem Jahrhundertereignis führte.
Abb. 1: 12stündige Niederschlagsmengen vom 26.07.2008, 8 bis 20 Uhr MESZ. Zur besseren Orientierung haben wir für Sie einige Städte und Flüsse eingezeichnet.
An unserer Wetterstation Dortmund-Uni sind innerhalb von nur einer Stunde rund 119 Liter Niederschlag (Regen und zeitweise Hagel) pro Quadratmeter vom Himmel gestürzt. Während des rund vierstündigen Gewitters haben rund 203 Liter pro Quadratmeter in Teilen der Stadt verheerende Verwüstungen angerichtet. Normal sind im gesamten Monat Juli etwa 80 Liter pro Quadratmeter. Besonders betroffen war der Stadtteil Dorstfeld. Auch andern Ortes hat es stellenweise heftig gewittert und geregnet, doch wie Sie der Karte entnehmen können, sind auch hier extreme Unterschiede auf kleinem Raum aufgetreten. Dies verdeutlicht auch unsere hochaufgelöste Niederschlagssummenkarte für Nordrhein-Westfalen in Abb. 4 weiter unten auf dieser Seite.
Abb. 2: Beispiel einer Konvergenz und was sie auslösen kann
Wir haben hier schematisch dargestellt, was bei dieser Wetterlage im Bereich einer sogenannten Konvergenzzone geschieht. Luftmassen stoßen von beiden Seiten aufeinander. Der feuchtwarmen Luftmasse bleibt also nichts anderes übrig, als nach oben in höhere Troposphärenschichten auszuweichen. Besonders niederschlagsintensive Gewitterlinien entstehen und sorgen für extremen Regen oder auch Hagel.
Sind beide aufeinanderströmenden Luftmassen gleich stark und setzen in der Troposphäre keine anderen Prozesse wie zum Beispiel eine Windzunahme oder Winddrehung in höheren Luftschichten ein, dann kann eine Konvergenzlinie stundenlang, in Ausnahmefällen auch tagelang über ein und derselben Region verharren. Im Sommer kommt es dann tageszeitlich bedingt in den Nachmittags- und Abendstunden zur Bildung von Unwettern. Natürlich treten Konvergenzen auch zu jeder anderen Jahreszeit auf. Im Winter kann es zum Beispiel stundenlang kräftig regnen oder schneien. Bei sehr schwachen Konvergenzen kann es auch einfach nur bedeckt und trübe sein, während es außerhalb davon gering bewölkt oder klar ist.
Die Ausprägung einer Konvergenz richtet sich grundsätzlich nach den Gegensätzen, die sie bedingen: Wie stark und aus welcher Richtung strömen Luftpakete aufeinander zu und wie unterschiedlich sind deren jeweilige Eigenschaften hinsichtlich Temperatur, Feuchte, Druck und Dichte, sprich Labilität. Je stärker die Gegensätze sind, desto stärker fallen die Ausgleichserscheinungen, wie Niederschläge, Wind oder Gewitter aus. Dies ist ein stets wiederkehrendes Prinzip der Natur, die ihrerseits bestrebt ist, stets eine Balance zwischen Ungleichgewichten herzustellen.
Abb. 3: Niederschlagsanimation des Radarstandortes Essen vom 26.07.2008, Zeitraum: 14:30 bis 21:00 Uhr (1 Bildpixel entspricht einer Fläche von 1 km²)
Auf dem hochaufgelösten Radarloop (5minütige Bildabfolge) sehen Sie eindrucksvoll, wie sich immer wieder neue Starkniederschläge im Bereich der Konvergenz bilden und besonders im westlichen Raum Dortmund die höchste Intensität (weiß) erreichte. Erst im weiteren Verlauf des Nachmittags und zum Abend hin wurde die Konvergenz nach Westen abgedrängt, denn aus Osten setzte sich die trockenere Festlandsluft durch.
Abb. 4: Aus den feinen Radarinformationen und den Stationsmeldungen ergibt sich diese hochaufgelöste Niederschlagssummenkarte für Nordrhein-Westfalen
Nachfolgend eine Aufstellung der stärksten Niederschlagsintensitäten auf Basis 10minütiger Messdaten an der MeteoGroup-Wetterstation Dortmund-Uni während des Unwetters (l/m² = Liter pro Quadratmeter):
- 15:40 bis 15:50 Uhr: 21,6 l/m²
- 15:50 bis 16:00 Uhr: 26,2 l/m²
- 16:00 bis 16:10 Uhr: 20,1 l/m²
- 16:10 bis 16:20 Uhr: 24,6 l/m²
- 16:20 bis 16:30 Uhr: 20,0 l/m²
- 16:30 bis 16:40 Uhr: 11,6 l/m²
- 16:40 bis 16:50 Uhr: 16,3 l/m²
Die Erfahrung hat gezeigt, dass oftmals schon Gewittergüsse ab 30 Liter pro Quadratmeter innerhalb von 30 Minuten die Kanalisation überfordern und es zu Überschwemmungen von Kellern, Unterführungen und Straßenabschnitten bevorzugt in Mulden und Senken kommen kann. Auch von großen freien Flächen (Feldern und Parkplätzen) können dann gewaltige Wassermassen zu Tal fließen und für Schäden und Überschwemmungen sorgen.
Am Abend des 25.07.2008 wurden aufgrund der vorherrschenden Wetterlage bereits Vorwarnungen vor besonders niederschlagsintensiven Gewittern von über 50 Litern pro Quadratmeter ausgegeben.
Abb. 5: Flutwelle der Emscher am Pegel Mengede
Die Emscher musste bei diesem Extremniederschlag zwangsläufig über die Ufer treten. Sie sehen hier die Grafik am Pegel Mengede. Eine regelrechte Flutwelle baute sich auf und so schoss der Pegelstand innerhalb von nur 90 Minuten über vier Meter in die Höhe!
Solche Extremmengen wie in Dortmund können dann natürlich ganze Ortsteile bis zu einem Meter hoch unter Wasser setzen. Schlamm und Geröll sowie Treibgut sorgt dann für zusätzliche Schäden und chaotische Straßenverhältnisse. Nach Presseberichten sind über 4.500 Notfrufe alleine in Dortmund verzeichnet worden und die Aufräumarbeiten dauerten mehrere Tage an.
Zum Schluss dieser Zusammenstellung haben wir noch ein paar Aufnahmen, die nur ein paar Ausmaße dieses verheerenden Niederschlagsereignisses zeigen. Sie wurden mit freundlicher Genehmigung von Fabian Ruhnau zugesandt.
Diese Zusammenstellung wurde von Andreas Wagner und Stefan Laps, Meteorologen der Unwetterzentrale, im Juli 2008 erstellt.
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