Windskalen
Um den Wind messbar zu machen und Beobachtungen an verschiedenen Orten vergleichen zu können, aber vor allem um herauszufinden, wo günstige Windverhältnisse z.B. für die Segelschifffahrt anzutreffen sind, wurden bereits Mitte des 18. Jahrhunderts Windtabellen aufgestellt, die sich nach den Auswirkungen in der Umgebung des Beobachters richteten. So entwarf der britische Ingenieur John Smeaton im Jahre 1759 eine zwölfteilige Skala, in der die Wirkung auf Windmühlenflügel beschrieben war. Im Jahre 1806 übertrug der britische Seefahrer Sir Francis Beaufort (1774-1857) die Skala auf ein Dreimastvollschiff und machte sie später bekannt. Nach ihm wurde die Beaufort-Skala benannt.
Beaufort-Skala
Tab. 1: Beaufort-Skala
Windstärke 12 war nach oben offen gedacht. Die Skala wurde im Jahre 1949 durch eine internationale Vereinbarung auf 17 Stufen erweitert, um auch stärkere Ereignisse zu erfassen. Unterscheiden ließen sich die Windstärken ab 13 aber kaum und für extreme Ereignisse war sie kaum anwendbar. So schuf man weitere Skalen für die Erfassung von tropischen Wirbelstürmen und von Tornados. Im Jahre 1970 wurde die Erweiterung der Beaufort-Skala von der Weltorganisation für Meteorologie abgeschafft. Seitdem wird für „normale“ Windereignisse wieder die ursprüngliche 13teilige Skala (Windstärke 1-12 und Windstille) verwendet.
Saffir-Simpson-Hurrikan-Skala
Vor allem nach dem verheerenden Hurrikan CAMILLE, der im August 1969 ganze Landstriche im Süden der USA verwüstete, stieg der Bedarf für eine Einstufung der Hurrikane in verschiedene Stärkeklassen, um die Bevölkerung klarer und besser vor einem herannahenden Hurrikan warnen zu können. Im Jahre 1971 entwarfen der Ingenieur Herbert Saffir und der damalige Direktor des National Hurricane Centers in Miami/Florida, Bob Simpson, die nach ihnen benannte und noch heute gültige Saffir-Simpson-Hurrikan-Skala.
Tab. 2: Saffir-Simpson-Hurrikan-Skala
Die Skala wird seit 1973 für alle tropischen Wirbelstürme auf dem Nordostpazifik und dem Atlantik verwendet. Anfangs wurden die Hurrikane nicht nur nach den mittleren Windgeschwindigkeiten, sondern auch nach dem tiefsten Luftdruck im Zentrum und der zu erwartenden Sturmflut eingeteilt. Erst 2009 wurde die Saffir-Simpson-Hurrikan-Skala zu einer reinen Windskala. Der absolute Luftdruck im Zentrum hat wenig Aussagekraft, wichtig ist lediglich der Luftdruckunterschied zur Umgebung. Und der Hurrikan IKE, der im September 2008 als Hurrikan der Kategorie 2 ganze Orte an der texanischen Küste dem Erdboden gleich machte, zog mit einer Sturmflut an Land, die einem Hurrikan der Kategorie 4 in der bis dahin gebräuchlichen Skala entsprach. Als Folge wurden solche Angaben aus der Skala gestrichen.
Abb. 1: Durch Hurrikan IKE zerstörter Ort Gilchrist in Texas (Quelle: US Environmental Protection Agency)
Begriffe wie Hurrikane, Taifune und Zyklone beschreiben dasselbe Phänomen in verschiedenen Seegebieten der Erde. Die Saffir-Simpson-Hurrikan-Skala gilt aber nur für den zentralen und östlichen Nordpazifik sowie für den gesamten Atlantik. Im Raum Australien gilt eine eigene Skala, die sich nicht nach dem Mittelwind, sondern nach den Spitzenböen richtet. Auf den übrigen Ozeanen gibt es keine entsprechende Skala für die tropischen Wirbelstürme. Lediglich auf dem Nordwestpazifik (u.a. Japan, China, Philippinen) hat sich durchgesetzt, dass ab einem Mittelwind von 240 km/h von einem „Supertaifun“ gesprochen wird.
Hurrikane entstehen auf tropischen oder subtropischen Gewässern, wenn sich Schauer und Gewitter unter günstigen Windverhältnissen zu einem tropischen Tief formieren. Durch die Erddrehung („Corioliskraft“) wird das Tief in Rotation versetzt. Ein Kreislauf entsteht: Warme und feuchte Luft steigt auf, die Luftfeuchtigkeit kondensiert zu Wolken und Kondensationswärme wird frei, die das Aufsteigen der Luft weiter begünstigt. Je mehr Luft aufsteigt, desto mehr Luft muss schneller von außen in das Tief hineinströmen. Ab mittleren Windgeschwindigkeiten von 62 km/h wird das System zu einem Tropischen Sturm, das einen Namen bekommt, ab 118 km/h wird es zu einem Hurrikan (Taifun, Zyklon).
Hurrikane weisen einen Durchmesser von meist mehreren Hundert Kilometern auf und können ein großes Gebiet verwüsten, wenn sie auf Land treffen. Charakteristisch ist das überwiegend windschwache Auge im Zentrum des tropischen Wirbelsturms, das aber erst bei stärkeren Stürmen auf Satellitenbildern deutlich zu erkennen ist. Hurrikane, Taifune und Zyklone können nur über den Ozeanen entstehen. Dagegen sind Tornados kleinräumige Wirbel, die sowohl auf dem Land als auch auf dem Meer unterwegs sein können.
Fujita Tornado-Skala
Parallel zur Erforschung der Hurrikane wurde in den USA besonders ab den 1960er Jahren auch die Untersuchung und in zunehmendem Maße die Vorhersage von Tornados vorangetrieben. Auch für die Tornados wurde eine eigene Skala entwickelt, die aber ursprünglich eine reine Schadenskala ist. Denn die in den kleinräumigen Wirbeln auftretenden Windgeschwindigkeiten sind mit herkömmlichen Messmethoden kaum oder gar nicht messbar. Daher musste eine andere Vorgehensweise geschaffen werden. Anhand der aufgetretenen Schäden können Tornados eingestuft und dann Windgeschwindigkeiten zugeordnet werden. Tornados über Wasserflächen, auch Wasserhosen genannt, können also nicht eingestuft werden.
Tab. 3: Fujita Tornado-Skala mit Schadensauswirkungen
Im Jahre 1971 entwickelte der Professor Tetsuya Theodore Fujita (1920-1998) an der Universität von Chicago die nach ihm benannte Skala, die sich rasch weltweit durchsetzte. Sie gilt nicht nur für Tornados, sondern auch z.B. für Gewitterböen, die im Extremfall Windgeschwindigkeiten bis über 250 km/h aufweisen können. Diese Gewitterfallböen („Downbursts“) wurden ebenfalls von Tetsuya Theodore Fujita entdeckt. Es folgen die den einzelnen Stufen zugeordneten Windgeschwindigkeiten:
Tab. 4: Fujita Tornado-Skala mit Windgeschwindigkeiten
Im Jahre 2007 wurde in den USA eine „Erweiterte Fujita-Skala“ veröffentlicht, die aber wegen einigen Ungereimtheiten und herabgesetzten Windwerten sehr umstritten ist und außerhalb der USA kaum Anwendung findet. Die fachlichen Diskussionen über diese neue Skala laufen bis heute. Eine weitere Tornado-Skala ist die so genannte „Torro-Skala“, die in Europa besonders in den deutschsprachigen Ländern zur Anwendung kommt und doppelt so viele Stufen aufweist wie die Fujita-Skala. Seit 1972 können damit in Fachkreisen Schäden noch genauer eingestuft werden. In der Torro-Skala sind die unterschiedliche Bausubstanz und vor allem die Vegetation wesentlich besser erfasst. Sie ergänzt damit gut die Fujita-Skala und wird parallel verwendet.
Abb. 2: Tornadoschaden der Stärke F3 im Juli 2004 in NRW (Quelle: Thomas Sävert)
In zahlreichen Regionen der Erde treten Tornados auf. Bekannt sind sie vor allem aus den USA, aber auch auf allen anderen Kontinenten außer der Antarktis kommen sie vor. Bei uns in Deutschland sind sie auch als Windhosen bekannt, einen Unterschied zu den amerikanischen Tornados gibt es aber nicht. Im langjährigen Mittel treten in den USA etwa 1200 Tornados auf, in Europa sind es mehrere Hundert, davon 40 bis 60 in Deutschland. Sie weisen einen Durchmesser von wenigen Metern bis einigen Hundert Meter, im Extremfall auch mehr als einen Kilometer auf und können mit Windgeschwindigkeiten bis über 500 km/h enorme Schäden anrichten. In der Zugbahn mit einer Länge von wenigen Metern bis hin zu einigen Dutzend Kilometern halten sie sich meist nur wenige Minuten, in Ausnahmefällen auch bis über eine Stunde.
Tornados entstehen im Bereich von Schauern oder Gewittern mit starkem Aufwind und vertikaler Windscherung. Unter vertikaler Windscherung versteht man eine Zunahme und Richtungsänderung des Windes mit der Höhe. Gefährlich sind Tornados nicht nur wegen der reinen Windgeschwindigkeiten, sondern vor allem durch umher fliegende Gegenstände, die Menschen verletzen oder töten und zusätzliche Schäden anrichten können. Bei starken Tornados können Fahrzeuge bis hin zu LKW oder Mähdrescher und sogar ganze Häuser durch die Luft gewirbelt werden.
Tornados sind an Schauer- und Gewitterwolken oder auch an Gewitterfronten gebunden. Sie sind nicht zu verwechseln mit den so genannten „Staubteufeln“. Letztere entstehen tagsüber bei heiterem oder sonnigem Wetter auf überhitzen Flächen (Äcker, Sand- bzw. Sportplätze, etc.). Sie haben eine Lebensdauer von oftmals nur wenigen Sekunden bis Minuten, der Wirkungsbereich beschränkt sich auf nur wenige Meter und sie richten nur selten nennenswerte Schäden an. Sand, Staub, Blätter, Stroh, etc., aber auch beispielsweise Zelte und Sonnenschirme können dabei durch die Luft gewirbelt werden.
Diese Zusammenstellung wurde von Thomas Sävert, Andreas Wagner und Stefan Laps, Meteorologen der MeteoGroup Unwetterzentrale, im Oktober 2011 erstellt.
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