Glättearten
Autofahrer werden im Winterhalbjahr oft vor eine harte Geduldsprobe gestellt, wenn die Straßen mal wieder vereist sind und das Vorankommen erheblich erschweren. Und auch Fußgänger sind gefährdet, in jedem Winter landen Hunderte Menschen mit Knochenbrüchen nach Stürzen im Krankenhaus. In den Medien wird oft einfach pauschal von „Glatteis“ oder auch „Blitzeis“ gesprochen, aber was ist Glätte eigentlich, welche Glättearten gibt es und wie entstehen sie?
Man unterscheidet nach der Entstehung im Wesentlichen vier Glättearten:
Abb. 1: Schneeglätte auf einer Bundesstraße
Die offensichtlichste Art ist Glätte durch Schnee oder Schneematsch. Bleiben die ersten Flocken in Form von Schneematsch auf Straßen und Wegen liegen, ist es besonders rutschig. Liegt erst einmal eine geschlossene Schneedecke, kann man sich gut auf die winterlichen Straßenverhältnisse einstellen, die Glätte ist dann nicht zu übersehen. Besonders gefährlich ist es an Steigungen und dort, wo Fahrzeuge den Schnee leicht antauen, z.B. vor Ampeln und auf Kreuzungen. Der Schnee wird dann zu einer eisähnlichen Schicht komprimiert und ist dabei besonders glatt.
Abb. 2: Spiegelglatte Fahrbahn durch gefrierende Nässe
Glätte durch gefrierende Nässe – in den Medien oft auch als „überfrierende Nässe“ bezeichnet - ist wesentlich tückischer. Sie ist nicht immer auf den ersten Blick zu erkennen und kann auch schon auftreten, wenn die Temperaturen in 2 Meter Höhe noch bei 2 bis 3 Grad plus liegen. Gefrierende Nässe tritt auf, wenn der Boden z.B. nach Durchzug eines Niederschlagsgebietes oder von Schauern noch nass ist und der Himmel abends, nachts oder in den Frühstunden rasch aufklart. Ist der Boden nass genug und gehen die Temperaturen rasch zurück, können Straßen und Wege nicht schnell genug abtrocknen und die Feuchtigkeit gefriert zu einer dünnen Eisschicht. Da die Luft bei klarem Himmel direkt am Boden schneller auskühlt als die Luft darüber, ist schon Vorsicht geboten, wenn bei nassem Boden die Temperaturen nur noch wenig über dem Gefrierpunkt liegen.
Abb. 3: Reifansatz auf einer Fahrbahn
Reifglätte gehört zu den tückischeren Glättearten. Sie tritt meist lokal eng begrenzt auf einzelnen Wegstrecken und Brücken auf und überrascht die Autofahrer oft. Wenn sich feuchte Luft unter den Taupunkt – das ist die Temperatur, bei der die Luft mit Feuchtigkeit gesättigt ist, also quasi kein Platz mehr für weitere Wasserdampfteilchen lässt – abkühlt, dann kondensiert der Wasserdampf, er schlägt sich als Tau nieder. Geschieht dies bei Temperaturen unter dem Gefrierpunkt, entsteht Reif, der bei Sonnenschein am Morgen sehr schöne Bilder liefert, aber auch zu vereisten Fahrbahnen und Wegen führt. Wegen des fehlenden wärmenden Untergrundes sind Brücken besonders gefährdet, ebenso Straßen in Gewässernähe und durch Wälder.
„Glatteis“ wird oft als Oberbegriff für Glätte verwendet. Dabei ist er klar definiert und beschreibt Glätte, die durch Regen hervorgerufen wird, der auf gefrorenen Boden trifft und hier eine Eisschicht bildet.
Abb. 4: Temperaturverteilung bei einer Glatteislage
Die Grafik zeigt grob, wie Glatteisregen entsteht: Mildere Luft (orange) schiebt sich über bodennah vorhandene Kaltluft (blau). Schnee, der in diese milde Luftschicht fällt, schmilzt, wenn die Warmluftschicht mächtig genug ist. Und am Boden gefriert der aus der milderen Luft in die kalte Grundschicht bzw. auf den gefrorenen Boden fallende Regen zu einer Eisschicht.
Gefriert der Regen bereits vor Erreichen des Bodens, fallen auch Eiskörner, die ebenfalls eine Eisschicht bilden können, die etwas stumpfer, aber dennoch gefährlich ist. Man spricht in dem Fall auch von Eisregen.
Bei länger andauerndem Glatteisregen können Schäden an Bäumen und Überlandleitungen entstehen. Durch so genannte Leiterseilschwingungen können Stromleitungen reissen und ihre Leitfähigkeit verlieren. Nach dem Reissen können durch einseitige Belastung sogar Strommasten umstürzen.
Abb. 5: PKW mit Eispanzer nach Glatteisregen, aufgenommen am 26.01.2013 in Bad Dürrheim
Glätte kann zudem auch in den wärmeren Monaten auftreten, wenn ein starker Graupel- oder Hagelschauer durchzieht und sich auf dem Boden vorübergehend eine Schicht aus Graupel oder Hagel bildet. Auf einer oft nur wenige Hundert Meter langen Wegstrecke kann es dann sehr plötzlich glatt sein.
Für die Glättebildung wird neben tiefen Temperaturen auch Feuchtigkeit benötigt - in Form von hoher Luftfeuchtigkeit oder als Niederschlag. Ist die Luft dagegen extrem trocken, kann sich auch bei starkem Frost keine Glätte bilden. In sehr trockener Luft kann auch das oft lästige Eiskratzen vor dem Antritt einer Autofahrt entfallen.
In den Medien werden die einzelnen Begriffe häufig durcheinandergebracht. Vor einigen Jahren kam dazu noch der Ausdruck „Blitzeis“ auf. Dies ist aber kein meteorologischer Begriff, sondern eine Wortschöpfung der Medien. „Blitzeis“ wird oft in Zusammenhang mit dem klassischen, oben beschrieben Glatteis verwendet.
Diese Zusammenstellung wurde von Thomas Sävert, Meteorologe der Unwetterzentrale, im Dezember 2013 erstellt.
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