Tief Axel und die Sturmflut an Nord- und Ostsee am 3./4. Januar 2017


Zu Beginn des Jahres 2017 formierte sich das Sturmtief AXEL, welches am 3. bis 5. Januar an der Ostseeküste für die stärkste Sturmflut seit 2006 sorgte. Zwar berichtete unsere Kollegin Claudia Salbert bereits am 04.01.2017 auf unserer News-Seite http://www.wetter24.de/news/detail/2017-01-04-tief-axel-bringt-sturm-schneeverwehungen-und-kaelte/ über die gefährliche Wetterlage. Wir wollen hier jedoch noch einmal gesondert auf die Sturmflut, beziehungsweise das Sturmhochwasserereignis eingehen. Betroffen waren neben der Flensburger Förde auch die Kieler Bucht, sowie die Mecklenburger Bucht mit den Kiel, Lübeck, Rostock, Warnemünde, Flensburg, Eckernförde, Wismar, und den Inseln Usedom und Rügen. Hier verursachte Tief AXEL das stärkste Sturmhochwasser seit 2006.


Was ist eine Sturmflut?

Nach der DIN-4049-3 ist eine Sturmflut ein „durch starken Wind verursachtes Ansteigen des Wassers an der Meeresküste und in den Flussmündungen im Küstengebiet, wenn die Wasserstände einen bestimmten Wert überschreiten“. In Deutschland ist das Bundesamt für Hydrographie für die Festlegung dieser Werte zuständig, sodass an der Nordseeküste eine Sturmflut dann erreicht ist, wenn die Flut für Wasserstände sorgt, die 1.5-2.5m über dem mittleren Hochwasser liegen. Eine schwere Sturmflut benötigt Pegelstände von 2.5-3.5m und eine sehr schwere Sturmflut Pegelstände von über 3.5m Dagegen wird an der Ostsee von Sturmhochwassern gesprochen, wenn der mittlere Wasserstand um mindestens 1-1.25m übertroffen wir.


Was sind die Voraussetzungen für Sturmfluten an Nord- und Ostsee?

An der Ostsee kommen Sturmfluten vor allem bei drei Wetterlagen vor:

  • Im häufigsten findet man während eines Ostseehochwassers ein Hochdruckgebiet über Nordskandinavien vor, während ein aus dem Nordatlantik stammendes Tiefdruckgebiet mit schneller Zuggeschwindigkeit vom westlichen in den südlichen Teil der Ostsee zieht. Auf der Vorderseite dieses Tiefs treten dann oft schwere Stürme oder sogar Orkane aus südlicher bzw. südwestlicher Richtung auf. Während des Durchzugs der Passage des Tiefs nach Osten findet eine Richtungsänderung des Windes nach Ost bis Nordost statt. Je stärker dieser abläuft, desto stärker kann sich auch der so genannte „Badewanneneffekt“ an der Ostsee einstellen. So werden bei besonders starkem Süd/Südweststurm auf der Vorderseite der Tiefs die Wassermassen der Ostsee von der deutschen Küste weggedrückt. Springt dann der Wind auf der Rückseite eines Sturmtiefs schnell nach Nord- und Nordost und ist dann auch noch sturmartig, dann werden die zuvor weggedrückten Wassermassen komprimiert gegen die deutsche Ostseeküste gelenkt, was durch die geographische Ausrichtung der Küstenlinie Deutschlands begründet ist
  • Im zweiten Fall befindet sich ein relativ stationäres Hochdruckgebiet über Skandinavien, während sich das Zentrum eines langsam ostwärts ziehenden Tiefdruckgebietes über Böhmen nach Mittel-bzw. Ostdeutschland verlagert. Hierbei kommt es im frühen Verlauf zu recht persistentem Nordostwind. Das Sturmhochwasser beginnt, sich an der südlichen Ostseeküste wieder aufzulösen, sobald zunächst über eine Zunahme der östlichen Windkomponente die südlichen Komponenten des Winds wieder zunehmen
  • Das Sturmhochwasser zu Beginn des Jahres 2017 entstand jedoch in Folge einer selteneren Wetterlage. Tief AXEL zog von Nordskandinavien ostwärts und brachte auf seiner Rückseite Sturm aus nordöstlicher Richtu.

  • Wetterlage und Entstehung - Wie formierte sich AXEL?

    Am Mittwoch den 03.01. um 6 Uhr UTC morgens lag ein lang ausgestreckte, Hochdruckbrücke die sich vom Nordwesten Spaniens über die Britischen Inseln bis in den Nordatlantik südlich von Island erstreckte nordwestlich nach südöstlich orientiertes Gebiet hohen Drucks von bis zu 1033hPa über dem Nordwesten Spaniens, das bis in den Nordatlantik südlich von Island reichte. Währenddessen befand sich ein Gebiet tiefen Drucks mit einem Kerndruck von 991hPa nordwestlich der Atlantikküste Norwegens, welches nach Nordosten bis in polare Gebiete hineinreichte. Vereinfacht und sehr allgemein gehalten weht meist der Wind weht auf Grund von der Erdrotation nicht direkt von einem Hochdruckgebiet in ein Gebiet tiefen Drucks, sondern parallel zu den Linien gleichen Drucks (Isobaren). In Bodennähe findet zudem eine Ablenkung auf Grund von Reibungseffekten um 20-40° in Richtung des tiefen Drucks statt. Das erklärt, weshalb man es zu diesem Zeitpunkt zu vorwiegend östlichem Wind mit einer leichten Nordkomponente in der deutschen Bucht kam. Die Stärke dieses Winds wird durch die räumliche Skala der Druckunterschiede bestimmt – verändert sich der Druck auf einem kleinen Gebiet rapide, ist auch der Wind besonders stark, andersherum ist er schwächer, wenn die Druckunterschiede sich auf ein grßes Gebiet verteilen.

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    Im Verlauf des Dienstags löste sich Tief AXEL aus diesem Tiefausläufer zwar ab, blieb jedoch zunächst ortsstabil nordwestlich von Norwegen. Im Verlauf des Dienstags entstand ein eigenständiges Tiefdruckzentrum, Tief AXEL und bliebt zunächst quasi stationär nordwestlich von Norwegen liegen. Der Kerndruck sank hierbei weiter auf 983hPa auf der Skinnla Inselgruppe im Nordatlantik. Dieser verstärkte Druckgradient verschärfte auch den Wind im Bereich der deutschen Bucht, wodurch immer mehr Wassermassen in Richtung Elbe gedrückt wurden

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    Nördlich von Flensburg wurden dann, weiterhin am Dienstag um 18 Uhr UTC UTC in Glücksburg-Meierwik bereits Windböen von 104km/h (orkanartiger Sturm) und auf Helgoland in der Nordsee 93 km/h, also Werte eines schweren Sturms gemessen, während durch die vorwiegende Windrichtung aus östlicher Richtung weiterhin die Auswirkungen an den Ostseeküsten in Schleswig Holstein und Mecklenburg Vorpommern gering blieben. Um 21 Uhr UTC verzeichneten unsere Stationen auch auf Sylt inzwischen orkanartigen Sturm mit Spitzenwerten von 117 km/h und am Darßer Ort immerhin 100 km/h. Zusätzlich verstärkte sich die nördliche Windkomponente. Gleichzeitig verlagerte sich das Zentrum des Tiefs zunächst um 18 Uhr UTC ins südliche Schweden, sodass in Orebo 982hPa Kerndruck gemessen wurden, der später weiter auf 972hPa sank und inzwischen an der Ostseeküste auf der Schwedischen Insel Harstena gemessen wurde. Auch auf dem Brocken im Harz konnte man die Auswirkungen von AXEL weiter spüren. Hier erreichte der Orkan Windgeschwindigkeiten von bis zu 126 km/h, auf. Weitere von orkanartigem Sturm betroffene Orte in dieser Nacht waren Helgoland, die Greifswalder Oie, Sylt, die ostfriesischen Inseln, und der Hochwald.

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    Der starke Weststurm in der Ostsee von höchstens 96km/h auf Rügen sorgte in Morgenstunden des 04.01. noch nicht für Sturmhochwasser, was besonders an der Windrichtung lag. Zu diesem Zeitpunkt stieg der Kerndruck von Axel wieder ein wenig auf 977hPa am nördlichen Rand der schwedischen Ostseeinsel Ödland.

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    Im Verlauf des Vormittags verstärkte sich jedoch die Nordkomponente des Sturms in der Ostsee, sodass nun vermehrt Meerwasser in die Flensburger Bucht, die Kieler Bucht, sowie insbesondere durch ihre geographisch ungeschütztere Lage, die Mecklenburger Bucht zufloss. Gerade in Lübeck begann dadurch ein ähnlicher Prozess, wie noch am Tag zuvor in Hamburg. In der Trave, die hier in die Ostsee mündet, kam es zu einem stromaufwärts gerichteten Ostseezustrom mit steigenden Pegelständen.

    Am Nachmittags des Mittwochs drehte der Wind dann noch deutlicher auf Nord, und obwohl er nun mancherorts abschwächte, begannen die Buchten nun vollzulaufen. Tief AXEL zog unterdessen weiter nach Osten, und der Kerndurck stieg weiter auf bis 989hPa. Trotz des Sturmcharakters wurden die vorherigen Spitzenwerte von 100km/h nicht mehr erreicht, jedoch waren weite Teile der Ostsee von nun an bis in die Morgenstunden des 05.01 anhaltenden Nordsturm ausgesetzt. Dies erklärt, warum im Ostseeraum die schweren Sturmhochwasserschäden erst am Morgen des 05.01. ersichtlich wurden.

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    Betrachten wir hierzu die Folgen des Eingangs angesprochenen Badewanneneffekts am Beispiel der Windstärken- und Windrichtungsentwicklung am Kieler Leuchtturm:

    Innerhalb von nur drei Stunden drehte zwischen 9:00 und 12:00 Uhr UTC am 04.01. der Wind um 60 Grad, und das bei Geschwindigkeiten, die zu schweren Stürmen gezählt zählen. Dadurch schwappten die zuvor durch die westlichen und südlichen Sturmkomponenten aus der Kieler Bucht herausgeschobenen Wassermassen plötzlich und mit voller Kraft in diese hinein. Es wurden in Folge dessen bis in die frühen Morgenstunden hinein steigende Pegelstände nicht nur in der Kieler Bucht, sondern auch in der Flensburger und in der Mecklenburger Bucht gemeldet. Diese begannen erst wieder kurz nach Mitternacht zu sinken, was auf die nachlassende Windstärke ab 3 Uhr UTC zurückzuführen ist.


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    Folgen und Schäden

    Die Schäden die Axel entlang der Nordsee verursachte waren vergleichsweise gering. Es kam in der deutschen Bucht, sowie flussaufwärts der Elbe jedoch zu erhöhten Pegelständen. In Hamburg reichten diese dazu aus, den Fischmarkt am Hafen zu überfluten. In Geesthacht, das etwas hinter Hamburg flussaufwärts liegt meldeten die Mitarbeiter der dortigen Staustufe, dass hier am Morgen des 4.1. ein Rückwärtslauf des Wassers beobachtet wurde. An der Ostsee wurden die Auswirkungen von AXEL erst einen Morgen später, am 05.01. erkenntlich: Durch die bis zu drei Meter hohen Wellen kam es vielerorts zu Steilküstenabbrüchen und Dünenabtragungen. Einige Häuser der Obertrave wurden beschädigt. Hier lief, ähnlich wie die Elbe am Tag zuvor, Meerwasser. In Lübeck und Flensburg liefen zum Teil Keller voll, und Rettungsaktionen von ungünstig parkenden Autos folgten. Außerdem wurden aus Sicherheitsgründen in Kiel und Lübeck Straßensperrungen vorgenommen.

    Fazit

    Tief Axel sorgte in Norddeutschland vom 03.01.- 05.01. für Sturm oder Orkan. Durch seinen schnellen Zug über Südskandinavien in Richtung Nordosteuropa, entstand zunächst am Morgen des 04.01. durch rückseitigen, Nordwestlichen Orkan eine starke Sturmflut an vielen Orten entlang der Nordseeküste und erhöhte Elbe- Pegelstände bis hinter Gestaach. Am folgenden Tag begannen bis zum frühen Morgen des 05.01. die Pegelstände entlang der Ostseeküste an vielen Orten zu steigen, sodass mancherorts Sturmhochwasserwerte erreicht wurden. Nachdem hier der Nordoststurm nachließ sanken diese jedoch wieder rasch auf ein normales Niveau.

    Die Windspitzen die in diesem Zeitraum erreicht wurden waren wie folgt:

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