Sturmtiefserie vom 08. bis 11.01.2015
Eine Serie aus Sturm- und Orkantiefs brachte vom 08. bis zum 11.01.2015 in weiten Teilen Mitteleuropas Sturm und teilweise Böen bis Orkanstärke. Dadurch stürzten unzählige Bäume um, Häuser und Fahrzeuge wurden beschädigt. Dabei wurden einige Menschen verletzt, Tote gab es aber durch den Sturm nicht. Die Sturmserie löste an der deutschen Nordseeküste insgesamt fünf Sturmfluten aus, davon eine schwere, die aber kaum Schäden anrichtete.
Vorgeschichte und Entwicklung der Sturmlage
Bereits zum Jahreswechsel stellte sich im atlantisch-europäischen Raum eine sogenannte Westwetterlage ein. Die Bezeichnung steht für eine Wetterlage, bei der das Wettergeschehen vom Atlantik und damit aus unserer Sicht aus Richtung Westen kommt. Erste Sturmtiefs zogen vom Atlantik kommend nach Skandinavien. Nach kurzem Zwischenhocheinfluss mit vielerorts frostigen Nächten stellte sich die Wetterlage um den 06.01.2015 auf dem Atlantik und kurz darauf auch bei uns um.
Abb. 1: Animation Bodendruckkarten vom 06. bis 11.01.2015
Am 06.01.2015 verstärkte sich das Sturmtief CHRISTIAN bei Neufundland zu einem ausgewachsenen Orkantief, das am Folgetag mit einem ungewöhnlich tiefen Kerndruck von nur 937 Hektopascal südwestlich von Island lag und hier zum steuernden Zentraltief wurde. Das zugehörige Frontensystem griff in der Nacht zum 08.01.2015 (Donnerstag) auf Deutschland über und führte mildere Luft heran. An der Kaltfront bildete sich das Randtief DANIEL, es zog rasch nach Skandinavien. An seinem Rande erfasste ein Sturmfeld am Donnerstagabend und in der Nacht zum Freitag vor allem die Mitte und den Süden unseres Landes mit Sturmböen in tiefen Lagen und Böen bis Orkanstärke im höheren Bergland.
Abb. 2: Animation Wind in ca. 1500 m Höhe am 09.01.2015 (Tief ELON)
Abb. 3: Bodendruckkarte mit Tief ELON über der nördlichen Nordsee
Ebenfalls am Donnerstag (08.01.2015) entstand bei Neufundland das Randtief ELON, das sich unter Einbeziehung kanadischer Kaltluft rasch zu einem Orkantief verstärkte. In der Nacht zum Freitag (09.01.2015) erreichte es die Faroerinseln nördlich von Schottland und zog am Freitag tagsüber weiter nach Skandinavien. Das zugehörige Frontensystem war bereits okkludiert, die Kaltfront hatte also die Warmfront bereits eingeholt, als es den Norden und Nordosten Deutschlands überquerte. Dahinter strömte bodennah nur wenig kühlere, in höheren Schichten der Troposphäre aber sehr kalte Luft heran. So wurden in ca. 5,5 Kilometer Höhe Werte zwischen -30 und -40 Grad festgestellt.
Abb. 4: Animation Temperaturen in ca. 5500 m Höhe am 09.01.2015 (blau = kalt)
Damit bauten sich sehr große vertikale Temperaturunterschiede auf und die Schichtung wurde sehr labil. Dadurch ausgelöste kräftige Schauer und Gewitter überquerten Schleswig-Holstein, Hamburg, das nördlichen Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Berlin/Brandenburg. In ihrem Bereich wurde der enorm starke Höhenwind bis zum Boden herunter gemischt und zahlreiche Stationen meldeten Böen bis Orkanstärke.
Abb. 5: Blitze am Freitag, 09.01.2015 im Nordosten
Noch am 09.01.2015 (Freitag) formierte sich über dem Westatlantik das nächste Tief, das von den Meteorologen der FU Berlin im Rahmen der Wetterpatenschaft den Namen FELIX bekam. Aus FELIX wurde ebenfalls ein Orkantief, das mit seinem Zentrum in der Nacht zum Samstag (10.01.2015) schon knapp nördlich von Schottland lag und schnell weiter nach Osten zog. Tagsüber am Samstag erreichte es mit einem Kerndruck unter 950 Hektopascal Südnorwegen. Die Kaltfront des Orkantiefs FELIX erreichte am frühen Nachmittag den äußersten Nordwesten und die Nordseeküste.
Abb. 6: Animation Wind in ca. 1500 m am 10.01.2015 (Tief FELIX)
Abb. 7: Bodendruckkarte mit Tief FELIX vor Norwegen
An der Kaltfront bildete sich eine ausgeprägte Linie aus kräftigen Schauern aus, eine so genannte "Squall line". Besonders stark ausgeprägt war diese im Nordosten des Landes mit eingelagerten "Mesozyklonen", einer Art kleinskalige Tiefdruckgebiete, in deren Bereich Böen bis Orkanstärke auftraten.
Abb. 8: Radarbild mit der Kaltfront von FELIX von Nordbrandenburg bis NRW
Während die Orkanböen am Freitag im Norden flächendeckender auftraten, kamen sie an der Kaltfront von FELIX nur punktuell vor, richteten hier aber lokal starke Schäden an. Im Laufe des Abends erreichte die Front den Süden Deutschlands in abgeschwächter Form.
Abb. 9: Temperaturen in ca. 5500 Meter am 10.01.2015 (blau = kalt)
Abb. 10: Höchsttemperaturen am 10.01.2015
Zwischen den Sturm- und Orkantiefs im Norden und hohem Luftdruck über Südwesteuropa wehte mit dem kräftigen Südwestwind sehr milde Luft subtropischen Ursprungs in weite Landesteile. Bei zeitweiligem Sonnenschein wurden im Süden Bayerns sehr hohe und schon frühlingshafte Werte gemessen. Der höchste Wert wurde aus Piding an der Grenze des Berchtesgadener Landes zu Österreich gemeldet, hier war es 20,5 Grad warm - die deutschlandweit höchste bisher gemessene Januartemperatur seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Der bisherige Deutschlandrekord für den Januar lag bei 19,5 Grad an derselben Station. Auch andere Stationen am Alpenrand registrierten neue Rekorde. In Rosenheim wurden 19,5 Grad erreicht, in Oberstdorf stieg die Temperatur auf 19,0 Grad und lag damit deutlich über dem bisherigen Januarrekord an dieser Station (17,5 Grad am 10.01.1991, Messreihe seit 1936). Noch wärmer war es mit bis zu 21 Grad im Salzburger Land, unweit der Grenze zu Deutschland.
Messwerte
Einige Spitzenböen vom Donnerstag, 08.01.2015 (Tief DANIEL):
Abb. 11: Animation Windspitzen am 09.01.2015
Einige Spitzenböen vom Freitag, 09.01.2015 (Tief ELON):
Abb. 12: Animation Windspitzen am 10.01.2015
Einige Spitzenböen vom Samstag, 10.01.2015 (Tief FELIX)
Warnmanagement
Bereits früh zeichnete sich die Westwetterlage mit der Möglichkeit von Sturm- und Orkantiefs ab. So berechnete das Modell der europäischen Vorhersagezentrale (ECMWF) schon am 04.01.2015 das Orkantief FELIX vor Südnorwegen. Lage und Intensität wurden bereits sehr gut getroffen.
Abb. 13: Vorhersagekarte vom 04.01.2015 für den 10.01.2015
Damit konnten schon sehr frühzeitig Sturmvorwarnungen für Deutschland ausgegeben werden. Bereits am Dienstag, den 06.01.2015 gab es für viele Regionen Vorwarnungen für die gesamte Sturmserie, am Dienstagabend wurde für den gesamten Norden und Nordosten Deutschland Sturmwarnungen der Stufe ROT (mehr als 100 km/h) und für die Nordseeküste der Stufe VIOLETT (mehr als 130 km/h) ausgegeben. Akutwarnungen der Warnstufe ROT erfolgten im Norden und Osten verbreitet schon am Donnerstagvormittag.
Abb. 14: Warnkarte am Abend des 09.01.2015
Auswirkungen durch die Stürme
Durch den Sturm DANIEL gab es am Donnerstagabend in Süddeutschland einige, meist leichte Schäden durch verbreitete Sturmböen in tiefen Lagen. Orkanartige Böen und Orkanböen beschränkten sich auf das höhere Bergland. Durch das Tief ELON gab es vor allem in Schleswig-Holstein erhebliche Schäden: Zahlreiche Bäume stürzten um und Dächer wurden beschädigt. Die Feuerwehren im Land verzeichneten Hunderte Einsätze. In Nordhastedt im Kreis Dithmarschen wurde eine Tierauffangstation schwer beschädigt. In den meisten Landesteilen waren auch die Bahnstrecken blockiert.
Im Bereich des Orkantiefs FELIX traten Böen bis Orkanstärke nicht flächendeckend auf, sondern eher sporadisch. Besonders an der Kaltfront gab es an einigen Wetterstationen Böen bis Orkanstärke und erneut traten Schäden auf. Insgesamt wurden allein aus Schleswig-Holstein mehr als 1500 Feuerwehreinsätze gemeldet. Nach Angaben der Provinzial-Versicherung trafen aus Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern 10.000 bis 12.000 Schadensmeldungen ein. Das entspricht etwa der Hälfte der Meldungen nach dem Orkan XAVER im Herbst 2013. Nur ein Großschaden wurde im Norden verzeichnet: In Großenaspe (Kreis Segeberg) wurde ein Turnhallendach abgedeckt, der Schaden belief sich auf rund 100.000 Euro.
Auswirkungen durch Sturmfluten
Durch die Sturmserie gab es in der Zeit vom 09.01. bis zum 11.01.2015 eine Reihe von fünf Sturmfluten in Folge. Dies wurde nach den Angaben des Bundesamtes für Seeschifffahrt und Hydrografie zuvor noch nicht beobachtet. Vier der fünf Sturmfluten fielen leicht aus - von einer leichten Sturmflut spricht man ab einem Wasserstand ab 1,50 Meter über dem mittleren Hochwasser, von einer schweren Sturmflut ab 2,50 Meter über dem mittleren Hochwasser
Abb. 15: Wasserstand am Pegel Hamburg St.Pauli, 09.01. bis 11.01.2015, Quelle: http://www.pegelonline.wsv.de
Mit Winddrehung auf West bis Nordwest auf der Rückseite des Tiefs FELIX wurde das Nordseewasser verstärkt gegen die Küste gedrückt und an zahlreichen Küsten wurde eine schwere Sturmflut registriert. Am frühen Morgen des 11.01.2015 traten an der Nordfriesischen Küste sowie im Bereich von Ems und Elbe entsprechende Wasserstände ein: Husum 2,73 m, Gandersum (Ems) 2,66 m, Cuxhaven 2,58 m, Otterndorf 2,72 m und Hamburg mit 3,03 m über dem mittleren Hochwasser. Das Wasser wäre noch höher aufgelaufen, wenn der Wind nicht im Laufe der Nacht nachgelassen hätte. So trat der Höchststand in Hamburg fast eine Stunde früher ein als zu erwarten war. Wenige Tage früher hätte es kurz nach Vollmond auch eine Springflut geben können. Die Sturmflut fiel damit etwa einen Meter niedriger aus als beim Orkan XAVER im Dezember 2013.
Auswirkungen durch ergiebigen Dauerregen: Hochwasser an der Ruhr
Am Rande der Sturmtiefs wurde mit südwestlicher Strömung zeitweise sehr milde Luft herangeführt, sodass auftretende Niederschläge bis in die höchsten Lagen der Mittelgebirge als Schnee fielen. Besonders an den Westseiten der Mittelgebirge kamen größere Regensummen zusammen. Im Bergischen Land fielen örtlich mehr als 50 Liter Regen pro Quadratmeter innerhalb von 48 Stunden. Dadurch stiegen Bäche und kleine Flüsse stark an und auch an der Ruhr in NRW wurden Uferwege und Wiesen überschwemmt. In Hattingen verzeichnete der Ruhrpegel von Donnerstag bis zum Sonntag einen Anstieg von mehr als 2 Metern. In Schleswig-Holstein wurde nur gut zwei Wochen nach dem schweren Weihnachtshochwasser an einigen Flüssen erneut Hochwasseralarm ausgelöst.
Hinter der Kaltfront des Orkantiefs FELIX wurde deutlich kältere Luft herangeführt und nach den Temperaturrekorden vom Vortag setzte sich regelrechtes Aprilwetter mit zahlreichen Regen-, Schnee- und Graupelschauern durch. In den Schauern stellte sich örtlich extreme Glätte ein und besonders in Norddeutschland ereigneten sich zahlreiche Unfälle mit Toten und Verletzten. Besonders deutlich war der Temperatursturz am Alpenrand: Nach der Rekordwärme vom Samstag mit 20,5 Grad meldete Piding an der Grenze vom Berchtesgadener Land zu Österreich nur noch einen Höchstwert von 6,6 Grad.
Fortsetzung der Sturmserie nach FELIX
Abb. 16: Wind in ca. 7000 m Höhe, Maximum mit fast 300 km/h
Mit dem enorm starken Höhenwind zogen auch die beiden folgenden Tiefs über das Nordmeer nach Skandinavien, allerdings auf nördlicherer Bahn - zunächst das Orkantief GUNTER, danach das Orkantief HERMANN, das aber weit nördlich nach Norwegen zog und bei uns vor allem im Bergland und an der Nordsee schwere Sturmböen brachte. Damit riss die Sturmserie vorerst ab.
Ähnliche Sturmserien gab es auch in den vergangenen Jahrzehnten, allerdings nur selten in derart kurzer Abfolge. Bekannt sind Sturmserien u.a. aus dem Januar 2012 (Orkantiefs ULLI und ANDREA, 03.-06.01.), Januar 2005 (Orkantiefs ERWIN und GERO, 07.-12.01.) sowie im Februar 1990 mit den Orkanen VIVIAN und WIEBKE, die in vielen Landesteilen große Schäden anrichteten.
Fazit
Die Serie aus mehreren Sturm- und Orkantiefs innerhalb sehr kurzer Zeit ist durchaus als ungewöhnlich zu bezeichnen. Dies ist auch an der bisher nicht gekannten Abfolge von gleich fünf Sturmfluten an der deutschen Nordseeküste zu erkennen. Eine sehr schwere Sturmflut war allerdings nicht dabei, was mit leicht veränderten Parametern durchaus hätte passieren können. Die einzelnen Sturmereignisse fielen nicht extrem aus, bisherige Orkane wie KYRILL (2007), LOTHAR (1999), ANATOL (1999) oder XAVER (2013) wirkten sich deutlich stärker aus.
Diese Zusammenstellung wurde von Thomas Sävert und Stefan Laps, Meteorologen der MeteoGroup Unwetterzentrale, im Januar 2015 erstellt.
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