Verifikation der Schwergewitterlage in Deutschland vom 19. und 20. Juni 2013
Am Mittwoch, den 19. Juni 2013 und insbesondere am Donnerstag, den 20. Juni 2013 vollzogen sich - bezogen auf die betroffene Fläche Deutschlands - die bis dato heftigsten Sommer-Unwetterereignisse seit 2011. Die letzten Schwergewitter, die große Teile Deutschlands innerhalb von 24 Stunden überquerten, datierten am 23., 24. und 26. August sowie am 11. September 2011. Näheres zu Tief FRANK, dessen Kaltfront im damaligen September für zahlreiche Unwetterschäden sorgte, können Sie gerne in unserer Verifikation online unter http://www.unwetterzentrale.de/uwz/678.html nachschauen.
In diesem Artikel möchten wir die Wetterlage um den 19. und 20. Juni 2013 erläutern und mit Hilfe zahlreicher Animationen und meteorologischer Karten zeigen, was sich genau ereignete und warum. Darüber hinaus werfen wir einen Blick auf das Warnmanagement der Unwetterzentrale.
Die Großwetterlage
Abb. 1: Animation Höhenwetterkarten (500 hPa-Niveau in ca. 5,6 km Höhe) vom 16. bis 21.06.2013, jeweils um 2 Uhr MESZ (Analysen) mit Modellgitterdarstellung des britischen Vorhersagemodells UKMO NA
Am 17. und 18. Juni 2013 etablierte sich vom Atlantik kommend ein umfangreiches und kräftiges Höhentief über Westeuropa. Nachfolgend stellte sich über Mitteleuropa eine zunehmend südliche bis südwestliche Strömung ein. Mit ihr wurde massiv Heißluft aus Afrika über die westliche Mittelmeerregion nach Norden, sprich nach Mitteleuropa transportiert. Auf ihrem Weg über das Mittelmeer nahm die Luftmasse reichlich Feuchtigkeit auf. Sehr warme oder gar heiße Luft kann sehr viel Feuchtigkeit aufnehmen - eine Zutat, die später heftige Gewitter begünstigte.
Diese Wetterlage bezeichnen wir Meteorologen als „Trogvorderseite“. Als „Trog“ ist damit eine Ansammlung von Höhenkaltluft und tiefem Luftdruck z.B. westlich von Deutschland gemeint, an deren Vorderseite Luftmassen aus Südeuropa gezwungenermaßen nach Norden strömen. Eine solche Wetterlage kann in Sommermonaten zum einen ein Garant für die heißesten Tage des Jahres sein, zum anderen aber auch eine Brutstätte für heftige Schauer und Gewitter. Beides brachte die vorgegebene Wetterlage am 19. und 20. Juni 2013 nach und nach mit sich.
Ist die südliche Anströmung zudem noch stark ausgeprägt, z.B. wenn ein kräftiges Höhentief über Frankreich oder den Pyrenäen liegt, führt diese Wetterlage auch zu heftigem Föhnsturm z.B. in den Alpen.
In diesem Fall war das Tief jedoch erst einmal weit von Deutschland entfernt und markante Luftdruckgegensätze stellten sich zunächst nicht ein. Dieser Umstand ist primär der Jahreszeit geschuldet, denn in den Sommermonaten sind die Temperaturgegensätze zwischen Nordpol und Äquator am niedrigsten. Ergo sind die Luftdruckgegensätze und folglich die daraus hervorgehenden Strömungsverhältnisse über Europa meist schwach ausgeprägt. Bei der hier untersuchten Wetterlage stellte sich aber heraus, dass die schwache Höhenströmung noch eine sehr wichtige und entscheidende Rolle spielen wird.
Abb. 2: Animation Höchsttemperaturen vom 16. bis 21.06.2013 in Grad Celsius
Zwischen dem 17. und 19. Juni 2013 wurde es von Süden und Südwesten her jeden Tag heißer in Deutschland. Der 18. und 19. Juni wurden dabei die bis dato heißesten Tage des Jahres. An dieser Stelle sollte nicht unerwähnt bleiben, dass dies generell die ersten heißen Tage des Jahres für weite Teile Deutschlands waren. Die 30 Grad-Marke wurde erstmals am 17. Mai und auch nur an einer Station in Brandenburg (Bestensee mit 30,5°C) erreicht. Am 13. Juni gab es mit 31,1°C in Ihringen (Baden-Württemberg) und auch an anderen wenigen Stationen im Südwesten Baden-Württembergs schon mal einen kleinen hochsommerlichen Vorgeschmack.
Nachfolgend eine Auswahl der heißesten Orte je Bundesland (ab 30,0°C)
18. Juni 2013
19. Juni 2013
20. Juni 2013
Zurück zur Wetterlage:
Am Dienstag, den 18. Juni 2013 entwickelte sich weit im Vorfeld des westeuropäischen Höhentrogs unter strömungsarmen Verhältnissen im Bereich der einfließenden heißen Subtropikluft ein Bodentief über Deutschland. Korrespondierend dazu bildete sich in der Nacht auf Mittwoch, den 19. Juni 2013 von Frankreich her eine Konvergenzzone aus, die im Tagesverlauf über den Westen, Nordwesten und Norden Deutschlands hinweg nach Dänemark zog. In ihrem Bereich strömte Luft aus unterschiedlichen Richtungen (Südost und Südwest bis West) zusammen und führte unweigerlich zur Bildung erster Gewitterherde. Diese verlagerten sich vom Hohen Venn über das Ruhrgebiet, Münsterland, Ostwestfalen und den Niederrhein bis ins westliche Niedersachsen und nach Schleswig-Holstein.
Die Zutaten für örtlich schwere Gewitter waren gegeben: Heiße, feuchte und somit energieträchtige und hochgradig instabile Luft als Basis für die Gefahr blitzintensiver und niederschlagsträchtiger Gewitter, eine schwache Höhenströmung für das Potenzial punktuell hoher Niederschlagssummen, keine große Veränderung von Windrichtung und -geschwindigkeit mit der Höhe (schwache Windscherung) für ein geringes Tornado- und Großhagelrisiko.
Am Mittwochnachmittag entstand in dieser Luft über dem östlichen Ruhrgebiet ein neuer Gewitterherd, der am Abend unter massiver Verstärkung über Ostwestfalen, die Nordhälfte Niedersachsens und Schleswig-Holstein hinweg zog. In der Nacht zum Donnerstag verlagerte sich das inzwischen zum einem großflächigen Cluster herangewachsene Gewittersystem über Mecklenburg-Vorpommern, die Altmark und den Norden Brandenburgs hinweg nach Osten.
Abb. 3: Infrarot-Satellitenbild mit farbig dargestellten Wolkenobergrenzentemperaturen (rot = -50, gelb = -60, lila = unter -65°C) vom 20.06.2013, 0 Uhr MESZ mit den einstündigen Blitzen zwischen 19.06.2013, 23 Uhr und 20.06.2013, 00 Uhr MESZ.
Der Cluster (s. Abb. 3) hatte dabei einen Durchmesser von mehreren Hundert Kilometern mit seiner stärksten vertikalen Ausdehnung am Donnerstag, den 20. Juni 2013 um 3 Uhr MESZ: Von der Lüneburger Heide über den Süden Mecklenburg-Vorpommerns bis zur Prignitz wurden durch den Satelliten Wolkenobergrenzentemperaturen von unter -70°C analysiert. Dies lässt auf eine enorme vertikale Ausdehnung des Systems von 13 bis 15 Kilometern schließen. Binnen einer Stunde (zwischen Mittwoch, 23 Uhr und Donnerstag, 0 Uhr MESZ) wurden während der stärksten Phase knapp 18.000 Blitze innerhalb dieses Systems registriert.
Im Bereich der blitzintensiven Gewitter gab es zum einen gebietsweise sehr starke Regenfälle mit 30 bis 50 Litern Niederschlag pro Quadratmeter in ein bis zwei Stunden, lokal auch darüber. In Wittenborn (Schleswig-Holstein) wurden 67,5 l/m2 gemessen, auf Fehmarn am Leuchtturm Staberhuk 53,6 l/m2 und in Schwanewede-Neuenkirchen in Niedersachsen 51,3 l/m2. Die Gefahr von Hagel war in der Nacht zum Donnerstag dagegen tageszeitlich bedingt nicht sehr groß.
Ein solch großflächiges System entwickelt zwangsläufig Eigendynamik. Es saugt vorderseitig immer wieder feuchtheiße Luft an (Inflow) und führt kalte Luft durch Niederschlagsabkühlung an der Rückseite ab (Outflow). Solange In- und Outflow optimal korrespondieren und sich nicht in die Quere kommen, kann ein Cluster über mehrere Stunden überleben, wie auch in diesem Fall. Dabei verlagert es sich meistens auch etwas anders, als die Höhenströmung vorgibt, sowohl in Bezug auf Stärke als auch in Bezug auf die Strömungsrichtung.
Häufig wurden Sturmböen, vereinzelt auch schwere Sturmböen registriert.
96 km/h (Windstärke 10, schwerer Sturm) wurden beispielsweise in Uelzen (Niedersachsen) und 93 km/h (gleiche Windstärke) in Putlos an der Kieler Bucht gemessen. Die Herausgabe flächendeckender Unwetterwarnungen der Warnstufe ROT für diesen Gewitterkomplex war somit verbreitet gerechtfertigt. Donnerstag früh schwächte sich das System auf seinem Weg Richtung Polen rasch ab.
Abb. 4: Animation der Temperaturentwicklung im 850 hPa-Niveau (in rund 1.500 m Höhe) vom 19.06.2013, 2 Uhr MESZ bis 21.06.2013, 14 Uhr MESZ
Am Donnerstagmorgen (20. Juni 2013) konnte nach Abzug der ersten Konvergenzzonen und Gewittercluster von einem nennenswerten Luftmassenwechsel keine Rede sein. Die eigentliche Kaltfront war noch weit entfernt. So hinterließen die ersten kräftigen Gewitter weiterhin sehr warme bis heiße, feuchte, hochgradig labile und energieträchtige Luft. Der eigentliche Luftmassenwechsel setzte erst in der zweiten Tageshälfte ein, wie die Animation (Abb. 4) eindrucksvoll zeigt. Die 20 Grad-Marke in rund 1.500 Metern Höhe ist in den Sommermonaten für die Meteorologen häufig ein Indiz für Höchsttemperaturen von 35 bis 37 Grad am Boden - je nach Einstrahlung.
Am 20. Juni 2013 verlagerte sich der kräftige Höhentrog von Südwestfrankreich rasch nach Nordosten. Im Vorfeld entstand über Nordfrankreich ein eigenständiges Bodentief, das sich bis zum Mittag des 21. Juni 2013 unter Verstärkung nordostwärts zur Nordsee verlagerte. Die zugehörige Kaltfront dieses Tiefs erstreckte sich am Donnerstagmorgen diagonal über Nord-, Mittel- und Südostfrankreich und erreichte Deutschland erst in den Abendstunden von Südwesten her. An der Vorderseite dieser Kaltfront entstand die bis dato markanteste Sommer-Konvergenz seit September 2011, an der sich verbreitet unwetterartige Gewitter linienförmig organisierten.
Die Voraussetzungen für verbreitete Schwergewitter waren ideal: Luftmasse (feuchtwarm bis feuchtheiß), Energiegehalt (enorm groß), Höhenströmung (schwach bis mäßig, aber nicht stark), Windscherung (stark vor allem in der höheren Troposphäre), Labilität (enorm hoch), Feuchteangebot (groß), Tageszeitpunkt des Eintreffens der Konvergenz (morgens / vormittags im Südwesten / Westen) ergänzten sich in einzigartiger Weise. Die Gefahr blitzintensiver, langlebiger Gewitter mit zum Teil sehr starkem Regen, großem Hagel und teils schweren Sturmböen war gegeben.
Abb. 5: Niederschlagsradaranimation mit zentralem Bildausschnitt von Nordrhein-Westfalen vom 20.06.2013, 08:00 Uhr MESZ bis 20.06.2013, 17:40 Uhr MESZ in 5minütigen Schritten
Bereits in der Nacht zum Donnerstag gab es die ersten kräftigen Gewitter in der Eifel und im Luxemburger Raum. Morgens formierte sich die Konvergenz über dem Saarland, Luxemburg, der Schneifel und dem Hunsrück. Sie erreichte vormittags das südliche und südwestliche Nordrhein-Westfalen. Mittags überquerte sie Nordrhein-Westfalen langsam nord- bis nordostwärts und dehnte sich teilweise noch nach Nordwesten hin aus - mit markanten Folgen.
Abb. 6: 6stündige Niederschlagssummenkarte mit den Summen vom 20.06.2013, 11:00 Uhr bis 17:00 Uhr MESZ
In einem Streifen von der Hohen Eifel über das Bergische Land und zentrale Ruhrgebiet bis ins Münsterland führte dies verbreitet zu sehr großen Regenmengen. Hier dauerten die Gewitter zum Teil anderthalb bis zwei Stunden an. In diesem Zeitraum kamen häufig 40 bis 60 Liter pro Quadratmeter zusammen, örtlich auch über 70 Liter. Die Niederschlagsschwerpunkte lagen dabei in Ahrweiler, Neuwied, Bonn, im Rhein-Sieg-Kreis, im Rheinisch-Bergischen Kreis, im Oberbergischen Kreis, in Hagen (großer Hagel), im Ennepe-Ruhr-Kreis, in Bochum, Herne und Teilen Dortmunds sowie in den Kreisen Recklinghausen, Coesfeld, Borken und Steinfurt.
Für Teile Bochums, in denen gebietsweise der Verkehr zusammenbrach, zahlreiche Unterführungen, Keller und U-Bahn-Stationen voll Wasser liefen, war dies das heftigste Starkregenregenereignis seit 27 Jahren. Gebietsweise kam in Nordrhein-Westfalen und später auch in anderen Teilen Deutschlands in anderthalb bis zwei Stunden so viel an Niederschlag zusammen, wie sonst in zwei Dritteln eines ganzen Julimonats fällt.
Hinter der verantwortlichen Konvergenz verbarg sich ein neuer großräumig organisierter Gewittercluster, der am Donnerstagmittag fast ganz Nordrhein-Westfalen überdeckte bis über die Niederlande und Teile Belgiens hinaus. Die Wolkenobergrenzentemperaturen bewegten sich erneut im Bereich unter -65°C, was die enorme vertikale Ausdehnung des Systems bescheinigt. Unter diesem hoch reichenden Gewitterkomplex wurde es typischerweise so dunkel, dass sich verbreitet die Straßenbeleuchtung einschaltete.
Darüber hinaus wurde vielerorts ein schwefelgelber oder grünlich erscheinender Himmel festgestellt. Hochreichende Gewitterwolken können solche Farben annehmen, wenn sie viel Hagel und extreme Wassermassen enthalten. Das Sonnenlicht wird an den Niederschlagsteilchen gebrochen. Rote und blaue Anteile im Licht verschwinden dabei. Blau verschwindet, weil der Himmel bedeckt ist und rot verschwindet durch die Mächtigkeit der Wolke. Dadurch kommt am Boden primär gelbliches bis grünliches Licht an / bzw. dringt zu unserem Auge durch.
Abb. 7: Niederschlagsradaranimation mit zentralem Bildausschnitt von Deutschland vom 20.06.2013, 07:00 Uhr MESZ bis 21.06.2013, 04:45 Uhr MESZ in 5minütigen Schritten
Am Donnerstagnachmittag des 20. Juni 2013 explodierten die Gewitterzellen mit weiterer Nordostverlagerung der Konvergenz dann auch über dem schwülheißen Hessen, Franken, Fichtelgebirge, Allgäu, Thüringen und Sachsen. Hier wurde so viel Energie freigesetzt, dass sich gebietsweise Gewitterzellen mit großem Hagel entwickelten und häufig die Ausgabe der höchsten Unwetterwarnstufe VIOLETT erforderlich wurde.
Bis zum frühen Abend hatte sich eine nahezu geschlossene Linie unwetterartiger Gewitter von Niedersachsen über die Mitte Thüringens bis zum Oberpfälzer Wald und ins Vogtland formiert. Vom Allgäu und Schwaben her arbeitete sich in schwülheißer Luft eine weitere Linie schwerer Hagelgewitter nordostwärts voran.
Im Abendverlauf schwächte sich die Konvergenz im Norden Deutschlands rasch ab, verband sich dafür aber im Osten mit dem Gewittercluster aus Schwaben. Und so zogen blitzintensive Schwergewitter, weiterhin zum Teil mit sehr starkem Regen, anfangs noch örtlich mit großem Hagel und zunehmend schweren Sturmböen und einzelnen orkanartigen Böen nordostwärts weiter über Ostbayern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Südbrandenburg hinweg, um auch hier die schwülheiße Luftmasse allmählich auszuräumen.
Gleichzeitig erreichte am Abend die Kaltfront den Südwesten Deutschlands. An ihr entwickelten sich zwischen Hohem Venn, Eifel, Vorderpfalz und Baden-Württemberg neuerdings schauerartige Regenfälle und einzelne, zum Teil kräftige Gewitter mit schweren Sturmböen, vereinzelt auch mit Orkanböen bis ins Tiefland. Unter anderem verantwortlich für die Heftigkeit der Windböen war neben der Dynamik innerhalb des Gewitters (z.B. Fallwinde), der rasant steigende Luftdruck mit der Kaltfront von zum Teil bis zu 6 hPa in drei Stunden.
Abb. 8: Animation der Infrarot-Satellitenbilder mit farbig dargestellten Wolkenobergrenzentemperaturen (rot = -50, gelb = -60, lila = unter -65°C) in 1stündigen Schritten vom 20.06.2013, 7 Uhr bis 21.06.2013, 5 Uhr MESZ
Am späten Abend bedeckte ein großräumiger Gewitterkomplex die gesamte Osthälfte Deutschlands; in Brandenburg zum Teil wieder mit Wolkenobergrenzentemperaturen von -70°C oder darunter. Blitzintensive Gewitter mit starkem Regen, teils schweren Sturmböen, vereinzelt auch orkanartigen Böen überquerten Berlin und die Nordhälfte Brandenburgs. Die indes rasch nordostwärts vorankommende Kaltfront führte im Westen des Landes gebietsweise zu schauerartigen Regenfällen, in der Kölner Bucht auch noch zu Gewittern.
In der Nacht auf Freitag, den 21. Juni 2013 nahm die Gewittertätigkeit an der Kaltfront im Westen des Landes rasch ab. Die Luftmasse wurde hier bereits durch die vorlaufende Konvergenz gut ausgetauscht. Im Nordosten Baden-Württembergs, in Unterfranken sowie in Hessen, Ostwestfalen, im mittleren Niedersachsen und später auch noch einmal in Teilen Bayerns kam es auch mit Durchgang der Kaltfront während der Nacht noch gebietsweise zu kräftigen Schauern und Gewittern, örtlich mit Unwettercharakter. Im Osten der Republik schwächten sich die unwetterartigen Gewitter an der Konvergenz rasch ab, überquerten noch den Südosten Vorpommerns sowie die Lausitz und zogen nach Polen ab. Ab Freitag früh und in den Morgenstunden des 21. Juni 2013 beruhigte sich das Wetter nachhaltig, die schwülheiße Luft wurde von Westen her durch mäßig warme und stabilere Atlantikluft ersetzt und die Unwetterlage ging zu Ende.
Abb. 9: Animation der 1stündigen Blitze vom 19.06.2013, 15 Uhr bis 21.06.2013, 6 Uhr MESZ
Obige Grafik zeigt noch einmal eindrucksvoll alle Blitzeinschläge während der Schwergewitterphase ab dem 19. Juni 2013. Am Donnerstag, den 20. Juni 2013 wurden zwischen 17 und 18 Uhr MESZ mit rund 27.500 Blitzen allein in Deutschland die meisten Blitzeinschläge binnen einer Stunde während des gesamten Ereignisses registriert.
Abb. 10: 24stündige Spitzenwindböen vom 20.06.2013, 8 Uhr bis 21.06.2013, 8 Uhr MESZ in km/h
Auswahl Spitzenböen vom 20.06.2013 (ab 100 km/h)
Abb. 11: 24stündige Niederschlagssummenkarte vom 20.06.2013, 8 Uhr bis 21.06.2013, 8 Uhr MESZ
Auswahl höchste 24stündige Niederschlagsmengen vom 20.06.2013 (ab 50 l/m2)
Tageskarten der UWZ-Warnlagen
Abb. 12: Tageskarte der UWZ-Warnungen vom 19.06.2013
Abb. 13: Tageskarte der UWZ-Warnungen vom 20.06.2013
Die beiden vorangehenden Abbildungen zeigen alle Warnungen der Unwetterzentrale, die am jeweiligen Tag herausgegeben wurden bzw. Gültigkeit hatten. Seit Bestehen der UWZ (Januar 2003) gab es innerhalb eines Tages auf eine so eine breite Fläche gesehen nur äußerst selten Unwetterwarnungen in allen Warnstufen vor Gewitter. Nur wenige Regionen blieben am 20. Juni 2013 von warnrelevanten Starkregenschauern oder Gewittern verschont. Jene sind lediglich gelb dargestellt – d.h. vorgewarnt.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Potenzial dieser Wetterlage von den führenden Prognosemodellen sehr gut erkannt und abgebildet wurde, sodass die Meteorologen der Unwetterzentrale bereits am Mittwochmorgen, den 19. Juni 2013 eine ausführliche Vorwarnung für einen 34stündigen Gültigkeitszeitraum herausgeben konnten.
Vorwarnung z.B. für Bochum und Hagen
Gültigkeit: 19.06.2013, 16:00 Uhr MESZ bis 21.06.2013, 02:00 Uhr MESZ Ausgabe: 19.06.2013, 08:57 Uhr MESZ
SMS-Warntext: Heftige Gewitter mit intensivem Starkregen, großem Hagel, schweren Sturmböen möglich
Ausführlicher Warntext: Im Bereich schwülheißer und somit sehr energiereicher Luft können sich ab dem Mittwochnachmittag erste schwere Hitzegewitter bilden. Am Donnerstag nähert sich von Westen eine Kaltfront, welche Ihre Region voraussichtlich zwischen Donnerstagabend und der Nacht zum Freitag überquert. Dann sind verbreitet Gewitter möglich. Bei kräftigen Gewittern kann es zu intensivem Starkregen mit 30 bis 50 Litern pro Quadratmeter in 1 bis 2 Stunden kommen, vereinzelt sogar mehr. Zudem sind Hagelschlag mit Korngrößen über 3 Zentimeter und schwere Sturmböen, unter Umständen sogar orkanartige Böen möglich! Erst hinter der Kaltfront fließt stabile und deutlich kühlere Luft ein, so dass sich das Wetter deutlich beruhigt.
Akutwarnung VIOLETT für Hagen (Beispiel-PLZ: 58099)
Gültigkeit: 20.06.2013, 13:04 Uhr MESZ bis 20.06.2013, 15:00 Uhr MESZ Ausgabe: 20.06.2013, 13:04 Uhr MESZ
SMS-Warntext: Provinzial-Wetter Warnung VIOLETT: Unwetter aus SSO,extremer Starkregen/Hagel,schwere Sturmböen,Blitzrate hoch. PLZ 58099,20.06. 13:12 - 20.06. 15:00
Ausführlicher Warntext: Um 13:00 Uhr wurde ein Unwetter der Warnstufe VIOLETT im Bereich Hagen-Schwerte-Iserlohn registriert. Der Schwerpunkt des Unwetters ist etwa 3 km von Ihrem abonnierten Ort 'PLZ: 58099' entfernt, kommt aus Süd-Süd-Ost und bewegt sich mit einer Geschwindigkeit von etwa 22 km/h in Richtung Nord-Nord-West. Ihr abonnierter Ort 'PLZ: 58099' wird vom Schwerpunkt des Unwetters voraussichtlich ab 13:12 erreicht. Zum Teil ist mit extremem Starkregen und Hagelschlag zu rechnen. Es besteht die Gefahr von schweren Sturmböen. Die gemessene Blitzaktivität ist zurzeit hoch.
Die Schäden, die an diesem Tag durch die verbreitet heftigen Unwetter entstanden, gingen weit in die zweistellige Millionenhöhe. Um so eine massive Unwetterlage entstehen zu lassen, die große Teile Deutschlands betreffen konnte, dafür mussten die „Zutaten“, wie bereits erwähnt wurde, stimmen. Diesmal passte vieles zusammen: Sehr große Labilität, potenziell explosive Luftmasse (weil feuchtheiß), nicht zu viel Höhenwind und nicht zu starke Windscherung, Luftmassenwechsel, sehr viel Hebung Dank Höhentrog, Kaltfront und vorlaufender Konvergenzen und nicht zuletzt die Tages- und Jahreszeit. Wären Höhenwind und Windscherung noch größer und vielleicht die Labilität etwas weniger stark ausgeprägt gewesen, hätten wir eine Wetterlage mit erhöhtem Tornadopotenzial gehabt. Mehr Höhenwind hätte auf die Fläche gesehen unter den Luftmassenbedingungen auch zu weitaus schlimmeren Sturm- und Orkanschäden führen können. Dieser Schlusssatz soll zeigen, dass auch diese Lage nicht die schlimmstmögliche war.
Diese Zusammenstellung wurde von Stefan Laps, Meteorologe der Unwetterzentrale, im Juli 2013 erstellt.
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