Sturm- und Schneetief DAISY

Zu Beginn des Jahres 2010 führte Sturm- und Schneetief DAISY zu einer markanten Unwetterlage in Deutschland.

Bereits fünf Tage bevor das Schneetief DAISY entstanden war, lag den Meteorologen von MeteoGroup umfassendes Vorhersagematerial der besten Computervorhersagemodelle vor. Frühzeitig war absehbar, dass es sich bei DAISY um ein schneereiches und nicht ungefährliches Tiefdruckgebiet handelte, das angereichert mit feuchtmilder Mittelmeerluft auf die mitteleuropäische Kälte treffen würde.

 

Das Potenzial in Sachen Schnee und Sturm, das in DAISY steckte, war groß. DAISY würde Schnee und auch Sturmböen nach Deutschland bringen, für weite Landesteile sollte es aber auf ein normales Winterereignis hinauslaufen. Ausnahme: Norddeutschland. Mit Hilfe der vorliegenden Modelle konnte der Schwerpunkt der Ereignisse präzise vorhergesagt werden: In den zentralen und östlichen Mittelgebirgen sowie in Norddeutschland sollten reichlich Pulverschnee und Sturmböen zu erheblichen Schneeverwehungen und entsprechenden Behinderungen im öffentlichen Leben führen. 

 

Meteorologische Ausgangslage  

Bodenwetterkarte von Sonntag, den 10.01.2010, 1 Uhr MEZ

Abb. 1: Bodenwetterkarte von Sonntag, den 10.01.2010, 1 Uhr MEZ

 

In einer weit südwärts ausgreifenden Frontalzone war über Mitteleuropa kalte Festlandsluft wetterbestimmend. Tiefdruckgebiet DAISY entstand in der Höhenströmung im Seegebiet westlich von Portugal und wurde in einer nach Nordosten gerichteten Höhenströmung nach Oberitalien geführt. Das Tief lenkte in hohen Luftschichten (1500 bis 5500 Meter) deutlich mildere und feuchte Mittelmeerluft nach Norden. Diese Luftmasse glitt auf die bei uns liegende Kaltluftmasse auf und es entwickelten sich große Schneefallgebiete. Gleichzeitig wurde der Luftdruckgradient zwischen einem Hochdruckgebiet namens BOB über Skandinavien immer größer (eng aneinander liegende Linien gleichen Luftdrucks = Isobaren). Somit entwickelte sich bodennah eine starke Nordostströmung über der Nordhälfte Deutschlands, welche zu schweren Sturmböen um 100 km/h, stellenweise auch zu Orkanböen bis 122 km/h führte.

 

Verlauf Sturmtief DAISY 

Verlauf von Sturmtief DAISY

Abb. 2: Verlauf von Sturmtief DAISY

 

In der wetterlenkenden Strömung hat DAISY einen ungewöhnlichen Weg genommen. Das Tief ist am 06.01. im Seegebiet westlich von Portugal entstanden, zog nordostwärts über die Balearen (07.01) und Norditalien (09.01) hinweg und drehte anschließend nach Osten ein. Am 10.01. befand es sich über dem Schwarzen Meer. Bei dieser Großwetterlage lag in großer Höhe ein blockierendes Hochdruckgebiet über West- und Nordeuropa. Es lenkte die atlantischen Tiefdruckgebiete zum einen weit über Nordeuropa hinweg nach Osten und zum anderen über einen südlich verlaufenden Zweig der Höhenströmung über das Mittelmeer nach Osten. 

 

Warnmanagement 

Insbesondere für weite Teile Norddeutschlands erfolgten bereits am Freitagvormittag den 08.01. gegen 11:40 Uhr Warnungen der Stufe ROT für schweren Sturm mit extremen Schneeverwehungen sowie für Starkschneefall. Aufgrund der absehbaren großen Gefahr durch Schneeverwehungen gaben die Unwetterexperten von Meteogroup eine Warnstufe höher aus, als von der meteorologischen Größe her zu erwarten war: Die Warnstufe ROT für Sturm erfolgt in der Regel erst dann, wenn die zu erwartenden Windböen deutlich über 100 km/h hinausgehen sollen. Es war jedoch absehbar, dass sich die Spitzenböen von DAISY bei rund 100 km/h einpendeln würden und so wäre anhand der Warnschwellen der Unwetterzentrale normalerweise eine Warnung der Stufe ORANGE ausgegeben worden. Aufgrund der drohenden Schneeverwehungen wurde daher die Sturmwarnung in der Warnstufe ROT ausgegeben, explizit mit Hinweisen auf extreme Schneeverwehungen.

 

Wintertief DAISY – die Bilanz: 

Am Sonntag den 10.01. gipfelten Sturm und Schneefall in schweren Schneeverwehungen. Vor allem in Teilen Schleswig-Holsteins und Mecklenburg-Vorpommerns kam es zu Straßensperrungen durch massive Schneeverwehungen, zahlreiche Dörfer waren von der Außenwelt abgeschnitten und Ostvorpommern rief Katastrophenalarm aus. LKW stellten sich quer und blockierten ganze Autobahnabschnitte (A20), aber auch PKW, die noch mit Sommerreifen unterwegs waren, erhöhten das Unfallaufkommen. Hunderte von Menschen mussten stundenlang in ihren Autos ausharren bis Hilfsdienste eintrafen. Am 11.01. fiel in Mecklenburg-Vorpommern auch der Schulbetrieb aus. An der Ostseeküste sorgte der anhaltende Nordoststurm für Hochwasser und zu Schäden im Ufer- und Promenadenbereich. Zahlreiche Fähren mussten ihren Betrieb einstellen.

 

Rund um die Küstenregionen von Nord- und Ostsee kam es zu Sturmböen der Stärken 9 bis 11; entsprechend Böen zwischen 80 und 115 km/h. Am Kap Arkona auf Rügen wurden 122 km/h (= Windstärke 12, Orkanstärke) gemessen. Innerhalb von 24 Stunden fielen verbreitet 10 bis 15 Zentimeter mit Schwerpunkt in einem breiten Streifen von Nordrhein-Westfalen über Niedersachsen, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Brandenburg bis nach Mecklenburg-Vorpommern.

Bei Gesamtschneehöhen von 20 bis 36 Zentimetern lockeren Pulverschnees führten die schweren Sturmböen dazu, dass der Schnee zu hohen Schneeverwehungen zusammengeweht wurde bzw. Straßen und Wege innerhalb von wenigen Minuten bereits hinter den Räumdiensten wieder zuwehten.

 

Schneeverwehungen auf Rügen

Abb. 3: Schneeverwehungen auf Rügen

 

Schneeverwehungen auf Rügen

Abb. 4: Schneeverwehungen auf Rügen

 

Schneehöhen  

Auswahl höchste 24stündige Neuschneemengen in cm am Sonntag 10.01.2010, 7 Uhr MEZ

Abb. 5: Auswahl höchste 24stündige Neuschneemengen in cm am Sonntag 10.01.2010, 7 Uhr MEZ

 

Auswahl Gesamtschneehöhen in cm am Montag, 11.01.2010, 7 Uhr MEZ

Abb. 6: Auswahl Gesamtschneehöhen in cm am Montag, 11.01.2010, 7 Uhr MEZ

 

Windböen

Auswahl höchste 24stündige Windböen bis Sonntag, 10.01.2010, 7 Uhr MEZ

Abb. 7: Auswahl höchste 24stündige Windböen bis Sonntag, 10.01.2010, 7 Uhr MEZ

 

Auswahl höchste 24stündige Windböen bis Montag, 11.01.2010, 7 Uhr MEZ

Abb. 8: Auswahl höchste 24stündige Windböen bis Montag, 11.01.2010, 7 Uhr MEZ

 

Weitere Informationen und Messwerte zu Sturmtief DAISY entnehmen Sie bitte unserer Zusammenstellung zur Sturmtiefsaison 2009/2010.

 

Fazit
Das Wintertief Daisy wurde trotz seiner ungewöhnlichen Zugbahn frühzeitig von den Wettermodellen und Meteorologen erkannt. Auch die Auswirkungen von Daisy auf Deutschland konnten präzise vorhergesagt werden. Die Unwetterzentrale von Meteogroup gab korrekte naturraumgenaue Warnungen aus. 

 

Wintertief DAISY ist nicht mit dem Jahrhundertereignis vom Jahreswechsel 1978/1979 gleichzusetzen. Damals war es nicht nur wesentlich kälter, sondern es fiel auch mehr Neuschnee. Darüber hinaus dauerte die Wetterlage mit Orkanböen über mehrere Tage an und erfasste nahezu ganz Deutschland mit extremem Frost, Glatteisregen und extremen Schneeverwehungen.

Diese Zusammenstellung wurde von Andreas Wagner und Stefan Laps, Meteorologen der Unwetterzentrale, erstellt.

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