Sturmtief OLLI - 28., 29.01.2007 (Tief Nr. 35)
Wetterlage
Am Nordrand des kräftigen Ostatlantikhochs, das am Mittag des 27.1. einen Kerndruck von 1042 hPa aufweist, wanderte das zunächst kleinräumige Tiefdruckgebiet OLLI allmählich südostwärts über Island hinweg.
24 Stunden später, zum Mittag des 28.1. lag Tief OLLI bereits mit seinem Zentrum über Südskandinavien und der Druckgradient zwischen ihm und dem kräftigen Hoch nahm stetig zu. Die Kaltfrontokklusion des Tiefs liegt zu diesem Termin über Norddeutschland mit einem Band schauerartig verstärkten Regens. Hinter der Kaltfront machte sich ein Schwall labiler Höhenkaltluft mit bis zu -31°C im 500 hPa bemerkbar. In Norddeutschland wurden verbreitet stürmische Böen und Sturmböen bis ins Flachland gemessen. Im Oberharz, später auch im Erzgebirge schneite es zudem teils länger andauernd und kräftig.
In der Nacht zum 29.1. wurde im Bereich des Troges von Tief OLLI der Nordosten und Osten Deutschlands von teils schweren Sturmböen beeinflusst. Die Besonderheit an dieser Wetterlage war, dass der Trog beinahe mit Advektion milderer Luft einherging, obwohl im Bodendruckfeld eine Kaltfront analysiert wurde. Der Kaltlufttropfen der Nachmittagsstunden war bereits nach Polen abgezogen und von Nordwesten her folgte kein wirklicher Nachschub kalter Luft nach. In Niederösterreich sorgte der starke Druckgradient samt orographischer Effekte gebietsweise für orkanartige Böen, vereinzelt auch für Orkanböen.
Ausführliche Analyse der Wetterlage
Ende des Monats Januar hat sich an der Ostflanke eines kräftigen Ostatlantikhochs eine nordwestliche Höhenströmung mit Kaltluftadvektion in Mitteleuropa durchgesetzt. Tiefdruckgebiet OLLI entstand dabei am 27.1. an der Nordwestflanke des Hochs knapp südlich von Grönland. Es wanderte parallel zur Höhenströmung bis zum Folgetag unter langsamer Verstärkung über die Hochachse und Island hinweg nach Südosten und erreichte in der Nacht zum 28.1. das europäische Nordmeer mit einem Kerndruck von 995 hPa. Im Tagesverlauf erreichte das Tief unter weiterer Intensivierung Norwegen und die Luftdruckgegensätze zum kräftigen Ostatlantikhoch nahmen in Mitteleuropa allmählich zu. Die Warmfront des Tiefs OLLI überquerte in der Nacht des 28.1. den Norden und die Mitte Deutschlands gebietsweise mit leichten Niederschlägen, die in den Hochlagen der Mittelgebirge als Schneeregen oder Schnee fielen. Der Wind frischte allmählich stark auf und erreichte in Böen über der Nordsee sowie auf einigen exponierten Bergkuppen Sturmstärke. Im Laufe der Vormittagsstunden verstärkte sich der Druckgradient mit Entwicklung des nach Südskandinavien weiterziehenden Tiefs. Verbreitet wehte eine starke bis steife Brise, auf einigen Bergen sowie an den Küsten traten schwere Sturmböen auf.
Zum Mittag hin erreichte die Kaltfront oder die Kaltfrontokklusion des Tiefs OLLI - es ist aus den Bodenanalysekarten nicht eindeutig identifizierbar - den Norden Deutschlands mit einem kompakten Band schauerartig verstärkten Regens. Dahinter sickerte ein Schwall labiler Höhenkaltluft (-31°C im 500 hPa-Niveau) in den Norden und Osten Deutschlands. Im Vorfeld der Front fiel in einigen Mittelgebirgslagen stellenweise gefrierender Sprühregen oder gefrierender Regen. Mit Durchgang der Front wurden im Norden verbreitet stürmische Böen und Sturmböen erreicht, an den Küsten teils schwere Sturmböen. Die Front verlor in ihrem weiteren Verlauf gen Südosten an Stärke und das Band schauerartig verstärkten Regens ging zusehends in ein Gebiet leichten bis mäßigen dynamischen Regens über. Im Oberharz sowie im Erzgebirge schneite es hingegen teils kräftig und länger anhaltend. Die registrierten Spitzenböen erreichten im Flachland nur noch sporadisch Sturmstärke. Mit dem nachfolgenden Kaltlufttropfen kam es am Nachmittag von Nordwesten her jedoch erneut zu schauerartig verstärkten Regenfällen, im Oberharz zu starken Schneefällen mit Schneesturmcharakter. Doch auch hierbei wurden trotz starker Höhenwinde von teils über 50 bis 55 kn (93 bis 102 km/h) in 925 hPa nur vereinzelt Sturmböen erreicht. Der Lifted Index lag meist zwischen +2 und +4 K.
Am Abend des 28.1. um 19 Uhr hatte das Tief mit 989 hPa Kerndruck seinen Entwicklungshöhepunkt zwischen Südschweden und der Ostsee erreicht. Durch örtliche orographische Effekte begünstigt traten bevorzugt zwischen Harz und Erzgebirge Sturmböen auf. Der Druckgradient blieb markant. Die Front des Tiefs beeinflusste noch den Osten und Südosten Deutschlands, einzelne schwache bzw. flache Schauerstaffeln brachten vor allem der Mitte und dem Norden noch zeit- und gebietsweise Regen. Rasch einsetzende WLA mit Abzug des Kaltlufttropfens in Richtung Polen sorgte für langsame Stabilisierung der Luftschichtung. Am späten Abend erfasste dann der Trog des Tiefs OLLI mit einer Bodenkaltfront und einer neuerlich erheblichen Druckgradientzunahme den Nordosten, in der Nacht zum 29.1. auch den Osten Deutschlands. Dabei wurden in Ostdeutschland verbreitet Sturmböen, lokal auch schwere Sturmböen erreicht, auf der freien Ostsee auch einzelne Orkanböen. Diese abermalige Druckgradientverstärkung ging jedoch nicht mit nennenswerter Kaltluftadvektion einher, folglich auch mit wenig Labilität. Die Niederschläge können als schwach bis mäßig eingestuft werden, wenngleich es vor allem im Erzgebirge durch Nordweststau weiterhin länger anhaltend schneite.
OLLI entwickelte seine volle Stärke erst, nachdem sein Sturmfeld Deutschland im wesentlichen bereits verlassen hatte: Werfen wir daher einen Blick in unser Nachbarland Österreich: Im Laufe der Abendstunden des 28.1. frischte der Wind sowohl am Alpennordkamm als auch in Ostösterreich stark auf und es wurden erste Sturmböen bis ins Flachland erreicht. Durch die Verlagerung des Tiefs OLLI in den Norden Polens und der verstärkten Druckgradientzunahme wurden am späten Abend in Ostösterreich verbreitet schwere Sturmböen registriert. In der Folge verlagerte sich das Hauptsturmfeld in der Nacht zum Montag gänzlich über Tschechien und Ostösterreich. Hier wirkten zwei Effekte sturmverstärkend: Zum Einen der Kanalisierungseffekt der Strömung entlang der Alpennordabdachung, zum Anderen der markante Abfall des Alpenostrandes und des Wienerwaldspornes nach Wien und ins Wiener Becken durch Ausbildung eines markanten Leetiefs. Dadurch kam es über einen Zeitraum von 10 Stunden hinweg zu Böen teils deutlich über 100 km/h (sehen Sie die Hitliste weiter unten). Die Schäden waren in der Region im Endeffekt deutlich stärker als jene von Orkantief KYRILL (Tief Nr. 33), der zwar höhere Windspitzen aufwies, die allerdings nur in einem kurzen Zeitraum vor und in seiner Kaltfront auftraten.
Im Laufe der Morgen- und Vormittagsstunden beruhigte sich das Wetter sowohl in Ostdeutschland als auch in Ostösterreich wieder. Bis um 7 Uhr MEZ registrierte der Brocken eine Neuschneemenge von 20 cm.
Visible-Satellitenbilder
Am 28.1. mittags um 13 Uhr MEZ lag das Zentrum des kleinen Tiefs OLLI über Südskandinavien. Die Wolkenspirale lässt sich an Hand dieses hochaufgelösten VIS-Satellitenbildes gut erkennen.
Am Nachmittag des 28.1. um 16 Uhr MEZ ist die Spirale noch deutlicher zu erkennen. Die Blaufärbung in der rechten Bildhälfte ist auf den Sonnenuntergang zurückzuführen. Die Höhenkaltluftschauer sind nördlich des Harz' aktiv.
Bodendruckfeld im Osten Österreichs
Diese Grafik veranschaulicht das Bodendruckfeld in Ostösterreich am 29.1. um 6 Uhr MEZ: Hier ist sehr schön der Effekt des Lee-Tiefs am Alpenostrand zu erkennen sowie am Wienerwaldsporn mit Staukeil.
Vorhersage
Tief OLLI wurde von den Computermodellen nationaler und internationaler Vorhersagedienste sehr gut und frühzeitig prognostiziert. Das Potential, die Intensität, die markante Druckdifferenz zum starken Ostatlantikhoch sowie die Zugbahn waren im Wesentlichen schon Abend des 25.1. voll in den Modellen (wie z.B. im GFS) drin. Die Kollegen in Österreich haben daher auch schon am Freitag akut ROT gewarnt, auch aus dem Grund, weil am Samstag mit dem Durchgang der Kaltfront vom vorangehenden Tief sellenweise mit über 90 km/h zu rechnen war. Zum Sonntag hin hat sich die Prognose dann verschärft, weil vor allem im UKMO NA ein Maximum mit 85 kn (157 km/h) im 850 hPa-Niveau am Alpenostrand aufgetaucht ist, sodass die Kollegen dann noch einmal auf bis zu 120 km/h raufaktualisiert haben. Alles in allem, war der Sturm keine Überraschung in Österreich und gilt als ein Klassiker unter den Ostösterreichstürmen.
Spitzenböen (ab 104 km/h) - 28.1. 1 Uhr bis 29.1. 12 Uhr
Quellen der Daten: Messnetze MeteoGroup, DWD, Auswahl
- 144 km/h - A: Semmering-Hirschenkogel
- 141 km/h - Fichtelberg; A: Feuerkogel
- 133 km/h - A: Sonnblick
- 126 km/h - Brocken
- 124 km/h - Hiddensee-Dornbusch
- 122 km/h - Altenberg/Erzgebirge; A: Wiener Neustadt
- 117 km/h - Hochwald
- 115 km/h - A: Hohe Wand, Schmittenhöhe
- 111 km/h - A: Voeslau, Semmering, Rax Bergstation, Wien Hohe Warte
- 107 km/h - Zugspitze; A: Wien-Schwechat, Wien-Unterlaa
- 104 km/h - Kahler Asten; A: Leiser Berge, Wien-City, Retz
Diese Analyse wurde von Manfred Spatzierer und Stefan Laps, Meteorologen der Unwetterzentralen Deutschland und Österreich, im Januar 2007 erstellt.
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