Orkantief FLURINA - 10. bis 13.11.2006 (Tief Nr. 11)

Wetterlage
Bodendruckanalyse 10.11.2006 - 12 Z
Diese Modell-Analysekarte des GME zeigt das Orkantief FLURINA drei Stunden nach ihrem Entwicklungshöhepunkt mit dessen Zentrum über dem Nordwesten Islands. Nach Druckfalltendenzen von bis zu 18,7 hPa in 3 Stunden wurde am 10.11. um 10 Uhr MEZ der niedrigste Kerndruck von 954,1 hPa in Bolungavik erreicht. Über Mitteleuropa herrscht kräftiger Zwischenhocheinfluss mit bis zu 1037 hPa im Süden Deutschlands. Das alternde Tief ELLI überquert Teile Russlands nach Osten.

Bodendruckanalyse 11.11.2006 - 12 Z
24 Stunden später, bis zum Mittag des 11.11. schwächte sich das Tief auf dessen Weg in Richtung Nordsee auf knapp unter 980 hPa ab. Von dem einst kräftigen Hochdruckgebiet ist nicht mehr viel übrig. Hochdruckeinfluss ist allenfalls im Mittelmeerraum sowie neuerlich über dem Atlantik auf der Rückseite des umfangreichen Sturmwirbels auszumachen. Der Druckgradient über Mitteleuropa ist markant und führt zu Sturmböen an den Küsten und auf den Bergen. Die zum Tief gehörige Kaltfront überquert den Norden und die Mitte Deutschlands. Dahinter wird der Weg für kühle Meeresluft frei.

Bodendruckanalyse 12.11.2006 - 00 Z
Bis zur Nacht auf den 12.11. erstreckte sich der umfangreiche Tiefdruckkomplex FLURINA über Nord- und Mitteleuropa. Die Kaltfront erreicht allmählich den Alpenraum. Postfrontal gelangt labile Höhenkaltluft strömungsparallel direkt vom Nordpolarmeer nach Mitteleuropa. Kräftige Schauer und lokale Gewitter beeinflussen das Wetter zu diesem Termin besonders im Nordwesten und Norden Deutschlands. Über dem Atlantik hat sich ein neuer kräftiger Hochkeil aufgesteilt. Das neue Tiefdruckgebiet GODA (Tief Nr. 12) steht aber bereits über dem Nordatlantik bereit. Das mittlere Strömungsfeld im 500 hPa-Niveau, gekennzeichnet durch die dicke schwarze 552 gpdm-Isohypse deutet an, dass das Tief GODA in den kommenden Tagen Kurs auf Mitteleuropa nehmen könnte.

Bodendruckanalyse 12.11.2006 - 12 Z
Labile Höhenkaltluft mit bis zu -34°C in 500 hPa sickert bis zum Mittag des 12.11. vor allem in den Nordosten Deutschlands und führt hier zu zahlreichen und kräftigen Schauern. Die Kaltfront führt an den Alpen zu Stauniederschlägen, die zumeist als Schnee niedergehen. Auch in den Mittelgebirgen oberhalb von rund 700 Metern gehen die Schauer häufig als Schnee nieder. Auf der Rückseite des sich weiter abschwächenden und zur Ostsee ziehenden Tiefs führt massive WLA im Westen Europas vorübergehend wieder für Wetterberuhigung. GODA hat sich derweil weiter zu einem kräftigen Sturmwirbel verstärkt.

Ausführliche Analyse der Wetterlage
Am 8.11. erstreckte sich ein ausgedehnter Höhenhochkeil vom Atlantischen Ozean bis hinauf nach Grönland. An seiner Südwestflanke bildete sich das neue Tiefdruckgebiet FLURINA. Über Mitteleuropa herrschte zu dem Zeitpunkt an der Ostflanke des Höhenhochs eine nordwestliche bis westliche Komponente mit einer eingebetteten langgestreckten Frontalzone vor, die noch das alte Tief CAROLA (Tief Nr. 9) über Osteuropa mit dem sich über der Nordsee bildenden Tiefs ELLI (Tief Nr. 10) und dem neuen Tief FLURINA verband.

Am 9.11. verlagerte sich das Höhenhoch bis zum Mittag langsam weiter in Richtung Osten. Das korrespondierende Bodenhoch wurde am Mittag über dem Südwesten der Britischen Inseln mit 1035 hPa analysiert. ELLI überquerte die Baltischen Staaten und führte auf ihrer Rückseite einen Schwall labiler und polarer Kaltluft nach Mitteleuropa. FLURINA wanderte strömungsparallel unter allmählicher Verstärkung in Richtung Norden bzw. Nordosten weiter. Am Mittag wurde ein Zentraldruck von 996 hPa gemessen. Ein weiteres Tief mit 992 hPa Kerndruck befand sich außerdem im Seegebiet knapp südöstlich Grönlands. Die sich auf der Vorderseite des Tiefs FLURINA auswirkende massive Warmluftadvektion (4 bis 8°C im 850 hPa-Niveau) stützte die Hochzelle. Bis zum Abend vertiefte sich der Kern FLURINAs um 16 hPa auf 980 hPa und lag mit ihrem Zentrum südwestlich Islands. Die Grund für die Vertiefung war der zunehmende Temperaturgradient zwischen Tiefvorder- und -rückseite. Subtropische Warmluft stützte auf ihrer Vorderseite die Hochzelle, die zum Abend weiter nach Osten wanderte und in Mitteleuropa zu kräftig ansteigendem Luftdruck führte. Kalte Luft aus dem kanadischen bzw. grönländischen Raum stützte dagegen das Tief FLURINA. Die Temperaturdifferenz zwischen der vorderseitigen Warm- und der rückseitigen Kaltluft betrug am Abend etwa 16 K. FLURINA wurde auf Grund der zunehmenden Isobarendrängung und des daraus resultierenden markanten Windfeldes als Sturmtief klassifiziert.

Bis zur Nacht auf den 10.11. vertiefte sich der Kern des Tiefs FLURINA um weitere 16 hPa auf 964 hPa vor der Isländischen Westküste. Das o.e. zweite Tief südöstlich Grönlands ging in den neuen Tiefkern FLURINAs über. Die westeuropäische Hochzelle verstärkte sich auf 1037 hPa über der Normandie. Die Druckgegensätze waren nun stark ausgeprägt: Der Luftdruck sank bis um 1 Uhr MEZ an der Westküste Islands um bis zu 18,7 hPa in 3 Stunden, während er in Mitteleuropa noch mit rund 2 hPa in selbigem Zeitraum anstieg. Bis um 5 Uhr MEZ wurde im Zentrum des Tiefs FLURINA im Nordwesten Islands ein Kerndruck von 954,8 hPa an der Station Dynjandiheidi gemessen. Der massive Druckgradient führte bereits im Warmsektor zu Orkanböen: Auf North Rona, einer vorgelagerten schottischen Insel wurden bis um 6 Uhr MEZ Spitzenböen bis 133 km/h registriert. An der Westküste Islands lagen die Windspitzen bei 117 km/h (Keflavik). Das Hochdruckgebiet verlagerte sich bis zum Morgen in den Süden Deutschlands mit 1037 hPa im Zentrum. Im Vormittagsverlauf verlagerte und vertiefte sich der markante Orkanwirbel kaum noch. Um 10 Uhr registrierte die Station in Bolungavik, ebenfalls im Nordwesten Islands gelegen, einen niedrigsten Kerndruck von 954,1 hPa. Der Druckgradient verschärfte sich bis zum Mittag in Westeuropa weiter: Auf North Rona erreichten die Spitzenböen Werte bis 146 km/h, auf Mykines (liegt westlich der Insel V�gar und ist auf diesem Breitengrad der westliche Ort Europas mit rund 10 Einwohnern) sogar Werte bis 150 km/h. Das Hochdruckgebiet sorgte dagegen in Mitteleuropa noch für ruhiges Wetter. Am Nachmittag setzte dann aber auch hier mit Ostwärtsverlagerung des Hochs Druckfall ein. FLURINA verlagerte sich nur langsam nördlich an Island vorbei. Ihre Kaltfront griff auf die Britischen Inseln mit schauerartig verstärkten Regenfällen über.

Am Abend des 10.11. frischte der südliche bis südwestliche Wind an der Nordseeküste sowie in einigen Mittelgebirgen Deutschlands kräftig auf und bis um 21 Uhr MEZ registrierte die MeteoGroup-Wetterstation auf dem Oberland Helgolands erste Sturmböen bis 78 km/h. Die Warmfront des Orkantiefs überquerte vor allem den Norden Deutschlands mit etwas Regen. Die Temperaturen stiegen dabei im 850 hPa-Niveau auf 5 bis 7°C im Westen und Südwesten Deutschlands an, während der Osten Deutschlands, Tschechien und Österreich noch im Einflussbereich der kalten Luft mit 0 bis -6°C in 850 hPa lagen, die auf der Rückseite des nach Osteuropa weitergezogenen Sturmtiefs ELLI gen Süden transportiert wurde. FLURINA war zu einem räumlich betrachtet umfangreichen Tiefdruckkomplex herangewachsen: Über dem südwestlichen Europa lagen die Temperaturen in der 850 hPa-Druckfläche im Warmsektor bei 10 bis 12°C, nordwestlich Islands bei bis zu -16°C. Im 500 hPa-Niveau wurden südlich Islands Temperaturen bis -39°C analysiert, im südwestlichen Europa Werte von -18 bis -12°C.

Bis zum Mittag des 11.11. verlagerte sich das Tief allmählich weiter in Richtung Osten zum Nordmeer. Der Kerndruck stieg auf 974 hPa an. Die Kaltfront des Tiefs sowie eine vorgelagerte Höhenkaltfront überquerten Mitteleuropa von Nordwest nach Südost mit einem kompakten Niederschlagsgebiet. Leichte bis mäßige Landregenfälle waren die Folge. Vor allem an der Nordseeküste sowie auf einigen Mittelgebirgsgipfeln wurden Spitzenböen zwischen 80 und 100 km/h gemessen. Zwischen Südschwarzwald und Jura bzw. fortlaufend zwischen Schwäbischer Alb und den Alpen wirkte sich ein klassischer Düseneffekt ebenfalls mit Sturmböen bis in die Tieflagen aus. Mit der Höhenkaltfront erreichten die Böen auf den Alpengipfeln ebenfalls durch die fortlaufende und sich verstärkende Kanalisierung des Westwindes Orkanstärke bis 130 km/h auf dem Wendelstein bzw. 156 km/h auf dem Feuerkogel in Österreich. Hinter der Kaltfront, die am Abend die Mitte Deutschlands überquerte, strömte allmählich wieder kühle Luft ein. An der Nordseeküste lagen die Temperaturen im 850 hPa-Niveau am Mittag bereits wieder knapp unter 0°C. Es stellte sich eine nordwestliche Höhenströmung ein, in der zunehmend kältere Luft in Staffeln herangeführt werden konnte: Am späten Nachmittag sowie am Abend kam von Nordwesten her eine mit teils starken Regen- und Graupelschauern sowie einzelnen eingelagerten Gewittern durchsetzte Konvergenzlinie ins Landesinnere voran. Dahinter kühlte sich die Luft im 500 hPa-Niveau auf -32°C ab, im 850 hPa-Niveau auf -2 bis -4°C. Mit ihr verstärkte sich der Druckgradient über Mitteleuropa deutlich, sodass an der Nordseeküste, in den Mittelgebirgen, teilweise auch bis ins Flachland Sturmböen erreicht wurden.

Zur Nacht auf den 12.11. hin sank die Schneefallgrenze allmählich auf 800 bis 600 Meter ab und im Harz sowie im Hochsauerland gingen mit der Konvergenzlinie starke Schneefälle nieder. Dahinter folgten zahlreiche kräftige Schauer, die den markanten Höhenwind heruntermischten und im Flachland gebietsweise zu Sturmböen führten. Die Kaltfront erreichte unterdessen den Alpenraum. Durch Kanalisierungseffekte zwischen Vogesen, Nordschwarzwald, Pfälzer Wald und Odenwald wurden auch vom Rheintal bis zum Kraichgau Sturmböen erreicht, auf dem Wendelstein führte der Kanalisierungseffekt sogar zu Spitzenorkenböen von bis zu 144 km/h. FLURINA hatte sich bis zu diesem Zeitpunkt auf 981 hPa abgeschwächt, besaß keine Orkaneigenschaften mehr, blieb aber als markanter und großflächiger Tiefdruckkomplex über ganz Nord- und Mitteleuropa wetterbestimmend. Über dem Ostatlantik steilte sich rückseitig des Tiefs ein neuer Hochkeil auf und das neue Sturmtief GODA (vgl. #12) lag südöstlich Grönlands, ähnlich wie noch FLURINA am 9.11..

Tagsüber gelangte kalte Luft polaren Ursprungs mit starken Regen- und Graupel- bzw. Schneeschauern in den Mittelgebirgen und den Alpen auf direktem Wege nach Mitteleuropa. Im 500 hPa-Niveau erreichten die Temperaturen am Mittag ein Minimum von -32 bis -34°C im 500 hPa-Niveau im Osten Deutschlands sowie in Polen und Tschechien. Auch im Osten Österreichs wirkte sich die labile Höhenkaltluft aus. Durch den weiterhin markanten Druckgradienten traten Sturmböen vor allem in Schauernähe bis ins Flachland auf. In den Alpen kam es durch die sich anstauende Kaltfront einerseits und durch die später von Nordwesten heranziehenden und sich ebenfalls anstauenden konvektiven Niederschläge andererseits zu kräftigen und länger andauernden Schneefällen. Bis zum Abend registrierte die Zugspitze eine 12stündige Neuschneehöhe von beispielsweise 20 cm. Der neue Sturmwirbel GODA sorgte etwa ab den Nachmittagsstunden durch WLA in allen Luftschichten im Westen für Abklingen der Schauertätigkeit. Der Druckgradient fächerte am Abend und in der Nacht zum 13.11. über Mitteleuropa langsam auf.

Hier noch ein kurzer Überblick über die 24stündigen Neuschneehöhen in den Alpen bis zum 13.11. morgens um 7 Uhr MEZ: 55 cm Sonnblick (A, 3105 m), 54 cm Rudolfshütte (A, 2304 m), 30 cm Zugspitze (2960 m), 25 cm Wendelstein (1832 m), 20 cm Schmittenhöhe (A, 1973 m) sowie Feuerkogel (A, 1618 m) und Rax-Bergstation (1546 m), 13 cm Großer Arber (1437 m) und Obergurgl (A, 1938 m)

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich das Entwicklungsmaximum des Orkantiefs im Nordwesten und Westen Europas auswirkte und Mitteleuropa die abgeschwächtere Variante erlebte. Es war das elfte Sturmtief der Saison.

Niederschlagsradarfilm
Niederschlagsradaranimation vom 10.10. 20 Uhr MEZ bis zum 13.10. 3 Uhr MEZ
Diese Niederschlagsradaranimation zeigt das Verhalten der Niederschlagsgebiete, die mit FLURINA in Zusammenhang stehen vom 10.10. 20 Uhr MEZ bis zum 13.10. 3 Uhr MEZ. Zunächst führt die Warmfront vor allem im Norden Deutschlands zu etwas Regen. In der Nacht zum 11.11. zieht die Höhenkaltfront von Nordwesten nach Deutschland mit meist leichtem bis mäßigen Regen. Tagsüber formiert sich über der Mitte Deutschlands die eigentliche Kaltfront mit ihrem Niederschlagsgebiet und wandert weiter nach Süddeutschland. Dahinter gelangt in Staffeln mit kräftigen Schauern und eingelagerten Gewittern labile Höhenkaltluft nach Deutschland. Die Kaltfront staut sich vor allem ab den Abendstunden des 11.11. an den Alpen und führt hier bis zum Folgetag mit den weiteren von Nordwesten heranziehenden Schauerstraßen für teils anhaltende Schneefälle.

Infrarot-Satellitenbilder
Infrarot-Satellitenbild vom 10.11. morgens um 7 Uhr MEZ
Das Infrarot-Satellitenbild vom 10.11. morgens um 7 Uhr MEZ zeigt den eindrucksvollen Orkanwirbel FLURINA in seiner stärksten Entwicklungsphase. Das Zentrum liegt über dem Nordwesten Islands mit rund 955 hPa. Es ist ein klassischer Wirbel: Die Warmfront erreicht mit ihren hohen Wolkenfeldern Norwegen, die Nordsee und die BeNeLux-Staaten sowie Frankreich; die markante Kaltfront verläuft vom Atlantik nördlich an den Britischen Inseln vorbei nach Norden. Auf der Kaltfrontrückseite ist hochreichende Schauerbewölkung zu erkennen, die mit labiler Höhenkaltluft in Zusammenhang steht. Der zweite Wirbel über Osteuropa korrespondiert mit dem alternden Tief ELLI.

Infrarot-Satellitenbild vom 11.11. mittags um 13 Uhr MEZ
Dieses Satellitenbild zeigt die Entwicklung 30 Stunden später am 11.11. um 13 Uhr MEZ: Die Kaltfront des zur Nordsee weitergezogenen markanten Wirbels liegt quer über der Mitte Deutschland und dem Norden Frankreichs. Dahinter steht hochreichende Schauerbewölkung bereit, die die kältere Luft polaren Ursprungs nach Mitteleuropa führt. Über dem Nordatlantik ist der breite Warmsektor des neuen Tiefs GODA (vgl. #12) ebenfalls mit hochreichenden Wolken zu sehen.

Infrarot-Satellitenbild vom 12.11. mittags um 13 Uhr MEZ
Am 12.11. mittags um 13 Uhr MEZ sieht die Wettersituation wie folgt aus: Die Höhenkaltluft hat Mitteleuropa mit zahlreichen, teils kräftigen Regen- und Graupelschauern erreicht. Von der einst faszinierenden Wirbelstruktur ist zu diesem Zeitpunkt über der Ostsee nicht mehr viel zu erkennen. Es bleibt aber weiterhin deutlich, dass sich Mittel- und Nordeuropa im Einflussbereich eines umfangreichen Tiefdruckkomplexes befinden. Die Ausläufer des Sturmtiefs GODA haben neuerdings Island und die Britischen Inseln erfasst.

Vorhersage
Die Vorhersage eines weiteren Sturmereignisses für Mitteleuropa war durch gute und relativ übereinstimmende Berechnungen der führenden nationalen und internationalen Vorhersagemodelle drei bis fünf Tage vorher möglich. 24 bis 36 Stunden zuvor traten die Meteorologen der Unwetterzentrale in die Vorwarnphase ein. Den UWZ-Meteorologen war klar, dass vor allem in Schauern der vertikale Impulstransport in ganz Deutschland Sturmböen bis ins Flachland hervorrufen könnte. Eine Besonderheit an dieser Wetterlage war, dass der Kaltfront des Tiefs eine Höhenkaltfront vorauslief. Sie sollte am 11.11. ab den Vormittagsstunden zwischen Hochschwarzwald und der Schweizer Jura einen Kanalisierungseffekt des Westwindes hervorrufen, welcher sich über die Bodenseeregion hinweg bis ins Allgäu bzw. Alpenvorland hinein auswirken soll. Zumindest einzelne Sturmböen bis in die tieferen Lagen wurden hierbei von den UWZ-Meteorologen in Betracht gezogen. Das GFS hatte eine ähnliche, wenn auch schwächere Variante ermittelt. Mit der eigentlichen Kaltfront, die am Abend des 11.11. den Süden Deutschlands erreichen sollte, berechneten GFS und UKMO erneut eine ähnlich starke Kanalisierung. Das höher aufgelöste UKMO Finemesh berechnete in der 925 hPa-Druckfläche sogar einen Düseneffekt zwischen Pfalz und Nordschwarzwald, sodass sich Sturmböen bis ins Rheintal und ins Kraichgau hätten auswirken können. Diese mögliche Entwicklung wurde auch vom EZ-MOS bereits 24 bis 30 Stunden vor Ereignisbeginn gestützt. Die Vorwarnungen waren auf Grund der Modellkonsistenz präzise.

6 bis 12 Stunden vor Ereignisbeginn gingen die UWZ-Meteorologen in die Akutwarnphase über: Helgoland, Nordfriesland und der Brocken wurden rot für Böen um 115 km/h gewarnt. Die übrigen Küstenwarnungen für Nord- und Ostsee beliefen sich auf Werte zwischen 80 und 100 km/h, die vor allem in Abhängigkeit von Schauern auftreten sollten. Im Laufe des 11.11. wurden die Mittelgebirge akut orange gewarnt, den Südschwarzwald, das Hocherzgebirge, den Böhmerwald und die Alpen rot. In den Alpen wurden Böen von über 130 km/h in Betracht gezogen, im Hochschwarzwald Böen bis 110 km/h und im Böhmerwald beispielsweise Böen von 110 bis 120 km/h. Das Flachland warnten die Meteorologen der UWZ verbreitet 6 Stunden bis 1 Stunde vor Ereignisbeginn für Böen zwischen 80 und 90 km/h v.a. in Schauernähe orange akut.

Die Stauniederschläge an den Alpen und an anderen Mittelgebirgen wurden insbesondere vom LM und von UKMO NA sehr gut erfasst, sodass die UWZ vor allem den östlichen Alpenhauptkamm rot für Schnee mit Mengen um 50 cm oberhalb von 1500 Metern für einen 24stündigen Zeitraum bewarnte.

Spitzenböen (ab 104 km/h) - 10.11. 19 Uhr bis 12.11. 23 Uhr
Quellen der Daten: Messnetze MeteoGroup, DWD, Auswahl

  • 156 km/h - Feuerkogel (A)
  • 144 km/h - Wendelstein
  • 126 km/h - Nebelhorn
  • 119 km/h - Brocken, Wallberg, Zugspitze
  • 115 km/h - Baltrum, Großer Arber
  • 113 km/h - Borkum (MM), Hiddensee-Dornbusch
  • 111 km/h - Fichtelberg
  • 109 km/h - Hörnum/Sylt, List/Sylt-Ellenbogen, Pellworm
  • 107 km/h - Hohenpeissenberg, Norderney
  • 106 km/h - Juist-Flugplatz
  • 104 km/h - Feldberg/Schwarzwald


Diese Analyse wurde von Manfred Spatzierer und Stefan Laps, Meteorologen der Unwetterzentralen Deutschland und Österreich, im November 2006 erstellt.

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